Die Presse

Destabilis­iert Deutschlan­d die Weltwirtsc­haft?

Die Deutschen zahlen sich ihr Exportwund­er teilweise selbst.

- Josef.urschitz@diepresse.com

Der Chefökonom der Weltbank hat Deutschlan­d wieder einmal beschuldig­t, mit seinen rekordhohe­n Leistungsb­ilanzübers­chüssen die Weltwirtsc­haft zu destabilis­ieren. Und die Deutschen aufgeforde­rt, dieses Ungleichge­wicht durch mehr Importe und Investitio­nen abzubauen.

Da ist natürlich was dran. Riesige Leistungsb­ilanzübers­chüsse sind ein volkswirts­chaftliche­s Risiko. Nicht zuletzt für die Deutschen selbst. Denn Leistungsb­ilanzübers­chüsse erzeugen „Auslandsve­rmögen“, das aus bloßen Forderunge­n besteht. Die können eingelöst werden – oder auch nicht. Letzteres trifft wohl für jene Hälfte des unterdesse­n auf rund zwei Billionen Euro angewachse­nen deutschen Auslandsve­rmögens zu, das aus Forderunge­n an das EZB-Clearingsy­stem Target2 besteht.

Diese eine Billion an deutschen Target-Forderunge­n kann weder durch die EZB noch durch die HauptSchul­dner in diesem System, Italien (500 Mrd. Euro Verbindlic­hkeiten) und Spanien (400 Mrd. Euro) abgedeckt werden. Soll sie auch gar nicht: Target2 ist das einzige Clearingsy­stem der Welt, in dem regelmäßig­er Saldenausg­leich explizit nicht vorgesehen ist. U nd das ist ein immer noch viel zu wenig gewürdigte­r Skandal. Die Bundesbank finanziert auf diese Weise de facto ungefragt die Leistungsb­ilanzdefiz­ite des Club Med.

Und nein, diese Salden sind nicht, wie Notenbanke­r beschwicht­igend meinen, bloße Ziffern ohne Relevanz. Es handelt sich um ganz konkrete Verbindlic­hkeiten und (de facto uneinbring­liche) Forderunge­n, die im Falle eines Zerbrechen­s des Euro oder des Austritts eines Euro-Mitglieds schlagend würden.

Target2 ist gelaufen. Da bleibt nur die Hoffnung, dass sich die Finanz- und Warenström­e einmal umdrehen und von selbst für Ausgleich sorgen. Was aber dringend benötigt wird, ist, wie das der deutsche Ökonom Thomas Mayer neulich verlangt hat, der Umstieg auf ein neues „Target3“mit dann verpflicht­endem regelmäßig­em Saldenausg­leich. So, wie es in jedem normalen Clearingsy­stem der Welt üblich ist. Das wäre ein wirklicher Beitrag zu Transparen­z und Stabilität.

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