IWF: Deutschland gefährdet globale Finanzstabilität
Weltwirtschaft. Der Chefvolkswirt des internationalen Währungsfonds bekräftigt die schon länger anhaltende Kritik an Deutschlands Leistungsbilanzüberschüssen. Diese seien kein Zeichen von Stärke, sondern zu geringer Investitionen.
Bereits vor zwei Wochen machte der Internationale Währungsfonds (IWF) in einer Studie klar, was er von den Leistungsbilanzüberschüssen Deutschlands, Chinas und anderer exportstarker Nationen hält: nämlich gar nichts. Nun legte der IWF-Chefvolkswirt Maurice Obstfeld in einem Gastbeitrag für die deutsche Zeitung „Die Welt“nach. Seiner Meinung nach ist Deutschland mit seiner Überschüsse produzierenden Politik mit schuld, sollte es zu einer neuen globalen Finanzkrise sowie einer Eskalation der aktuellen Handelskonflikte kommen.
Derzeit sei die Gefahr zwar noch überschaubar, es deute aber vieles in Richtung einer Verschärfung der Lage, schreibt Obstfeld: „Während von der gegenwärtigen Konfiguration übermäßiger Ungleichgewichte keine unmittelbare Gefahr ausgeht, stehen die Wei- chen auf eine weitere Ausdehnung – und damit auf eine mittelfristige Bedrohung der globalen Finanzstabilität.“Zudem schüre die Hartnäckigkeit der globalen Ungleichgewichte protektionistische Stimmungen. Zu den Ländern mit dauerhaft unerwünscht hohen Überschüssen zählte Obstfeld Deutschland. Der IWF-Chefökonom unterstützt damit indirekt die Argumentation von US-Präsident Donald Trump, der Deutschland neben China regelmäßig aufgrund der hohen Leistungsbilanzüberschüsse attackiert.
Deutsche sind zu sparsam
Ein hoher Exportüberschuss sei zudem auch „nicht unbedingt ein Zeichen von Stärke, sondern ein Beleg heimischer Investitionsschwäche und einer Sparquote, die über das hinausgeht, was wirklich notwendig ist“, schrieb der IWF-Chefökonom mit Blick auf die Deutschen. Eine Politik, die auch aus Eigeninteresse ungeschickt sei, so Obstfeld. Denn mit ihrem hohen Ausfuhrüberschuss riskierten Länder wie Deutschland, „leicht zur Zielscheibe protektionistischer Maßnahmen ihrer Handelspartner zu werden“. Nicht nur Deutschland, sondern auch andere Länder mit anhaltend hohen Defiziten oder Überschüssen im Handel mit Waren und Dienstleistungen sind nach Obstfelds Analyse das Problem. Er bemängelte, dass die globalen Leistungsbilanzsalden mit rund 3,25 Prozent in den vergangenen fünf Jahren unverändert hoch ausfielen. Nach IWF-Analysen seien rund 40 bis 50 Prozent davon „unverhältnismäßig“. Sie konzentrierten sich auf entwickelte Volkswirtschaften. Es gebe Länder mit dauerhaft hohen Überschüssen, wie Deutschland, aber auch mit unverhältnismäßig hohen Defiziten, wie die USA und Großbritannien.
Berlin soll mehr investieren
Obstfeld kritisierte, dass Länder wie Deutschland „allenfalls zaghafte Maßnahmen“ergriffen, um ihre Überschüsse zurückzuführen. Deswegen gehe die Entwicklung immer weiter auseinander. „Damit steigt das Risiko von Störungen durch Währungs- und Vermögenspreisanpassungen in verschuldeten Ländern zum Schaden aller“, warnt er. Von der deutschen Regierung verlangt Obstfeld daher eine „sinnvolle Erhöhung der Staatsausgaben“. Mit Investitionen in Infrastruktur oder Digitalisierung könne die heimische Nachfrage angeschoben werden. Auch höhere Lohnabschlüsse in Deutschland wären wünschenswert. (Reuters/jaz)