Trumps Rechnung im Iran könnte aufgehen
Analyse. Irans Führung übermittelte USA über Omans Außenminister angeblich einen Verhandlungskatalog.
Auch am Vorabend der USSanktionen gab sich Hassan Rohani gelassen. Alles nicht so dramatisch, lautete die Fernsehbotschaft an seine bangen Landsleute. Bekanntlich hat Irans Präsident eiserne Nerven, auch wenn es überall im Land gärt wie schon lange nicht mehr.
Denn die Islamische Republik, ihren 40. Gründungstag im nächsten Jahr bereits vor Augen, wirkt bis ins Mark ausgezehrt. Der Regierungschef und sein Außenminister stehen von den Trümmern ihrer fünfjährigen Entspannungsdiplomatie. Und die eigene Bevölkerung macht nicht mehr Amerika und den Rest der Welt für die Misere verantwortlich, sondern die eigene Führung, deren Korruption und Inkompetenz, deren kostspielige regionalen Ambitionen, die die Kraft des 80-Millionen-Volkes überfordern.
Kein Verlass auf Russland und China
Entsprechend könnte es – anders als die jüngsten Wortgefechte nahelegen – schon bald zu einem neuen Anlauf kommen zwischen der Islamischen Republik und den USA. Denn ungeachtet aller schönen Worte, auf den Durchhaltewillen der verbliebenen fünf Atomvertragsstaaten kann Teheran nicht setzen. „Wer mit dem Iran Geschäfte macht, wird keine Geschäfte mit den USA machen“, drohte US-Präsident Trump per Twitter. Europa vermag seine Firmen nicht zu Iran-Geschäften zu zwingen. Die eigenen Banken mauern, und das so genannte Blockade-Statut der EU, das europäischen Unternehmen die Einhaltung der US-Sanktionen verbietet, dürfte sich schon bald als stumpfe Waffe erweisen. Den strategischen Zielen Russlands für ein Nachkriegssyrien kämen gestutzte iranische Flügel gelegen. Und China könnte seine Solidarität über Bord werfen, wenn sich dadurch der Handelsstreit mit den USA aus der Welt schafften ließe.
Und so hat Teherans Führung offenbar über den Außenminister des Oman bereits seine Fühler nach Washington ausgestreckt und einen umfassenden Verhandlungskatalog übermittelt, den man in der Sprache des Immobilienmoguls Donald Trump als „Great Bargain“bezeichnen könnte. Rückkehr der USA zum Atomvertrag plus Ende von Wirtschaftsboykott und US-Militärdrohungen gegen hegemoniale Zurückhaltung des Iran und konstruktive Kooperation bei der Lösung aller regionalen Konflikte, so lauten anscheinend die groben Linien. Es ist nicht das erste Mal, dass die Islamische Republik ihrem Erzfeind jenseits des Atlantiks einen solch umfassenden Interessenausgleich vorschlägt. Im März 2003 allerdings wurde der Vorstoß des damaligen Reformpräsidenten Mohammad Khatami im Weißen Haus von George W. Bush nicht einmal ernsthaft geprüft. Ein Fehler.
Reif für den Rückzug aus dem Jemen
Damals, nach dem 11. September 2001, ging es neben dem Atomprogramm vor allem um eine Kooperation in Afghanistan gegen Taliban und al-Qaida. Inzwischen umfasst die bilaterale Konfliktliste mit Syrien, Jemen, Irak, Gaza und Libanon nahezu die halbe arabische Welt. In Syrien jedoch ist aus der Sicht von Irans Strategen das Maximale erreicht, will man Israel nicht weiter reizen und sich Russland am Ende zum Gegner machen. Im Jemen ist der Schaden für Saudiarabien inzwischen derart gewaltig, dass Riad den Konflikt mit den Houthis lieber heute als morgen beenden würde, wenn sich dabei das Gesicht einigermaßen wahren ließe. Im Inneren von Irak und Libanon hat Teheran sowieso nichts zu befürchten. Seine Emissäre dort ziehen an vielen Strippen und sind fest verwoben im politischen Geschehen.
Und so könnte sich Irans Führung möglicherweise durchringen, den Giftbecher zu trinken, wie Staatsgründer Ayatollah Khomeini im Jahr 1988 seine widerwillige Unterschrift unter den Waffenstillstand für den achtjährigen Krieg mit dem Irak charakterisierte. 30 Jahre später würde die Islamische Republik eine Reduktion ihres regionalen Radius eintauschen gegen ausländische Investitionen und ein wirkliches Ende aller Sanktionen. Denn wirtschaftliche Misere und Reformstillstand zehren nicht nur an den Nerven der Bürger, sondern auch an dem ideologischen Fundament der Islamischen Republik.
Zweifel am System
Immer mehr Menschen zweifeln an diesem System. Vor allem die jungen Iraner gehen auf die Straßen, weil sich die Staatselite teure außenpolitische Abenteuer leistet, während es der eigenen Bevölkerung am Nötigsten fehlt. Hassan Rohani gehört gewiss nicht zu den Politikern, die von einer staatspolitischen Wende zurück zum Wohle des eigenen Volkes überzeugt werden müssen. Die Blockierer sind die Hardliner um den Obersten Revolutionsführer Ali Khamenei und dessen Revolutionäre Garden. Sie müssen sich nun entscheiden – spätestens nach der zweiten Phase der USSanktionen im November, wenn auch Irans Ölexporte ins Visier geraten.