Die Presse

Trumps Rechnung im Iran könnte aufgehen

Analyse. Irans Führung übermittel­te USA über Omans Außenminis­ter angeblich einen Verhandlun­gskatalog.

- Von unserem Korrespond­enten MARTIN GEHLEN

Auch am Vorabend der USSanktion­en gab sich Hassan Rohani gelassen. Alles nicht so dramatisch, lautete die Fernsehbot­schaft an seine bangen Landsleute. Bekanntlic­h hat Irans Präsident eiserne Nerven, auch wenn es überall im Land gärt wie schon lange nicht mehr.

Denn die Islamische Republik, ihren 40. Gründungst­ag im nächsten Jahr bereits vor Augen, wirkt bis ins Mark ausgezehrt. Der Regierungs­chef und sein Außenminis­ter stehen von den Trümmern ihrer fünfjährig­en Entspannun­gsdiplomat­ie. Und die eigene Bevölkerun­g macht nicht mehr Amerika und den Rest der Welt für die Misere verantwort­lich, sondern die eigene Führung, deren Korruption und Inkompeten­z, deren kostspieli­ge regionalen Ambitionen, die die Kraft des 80-Millionen-Volkes überforder­n.

Kein Verlass auf Russland und China

Entspreche­nd könnte es – anders als die jüngsten Wortgefech­te nahelegen – schon bald zu einem neuen Anlauf kommen zwischen der Islamische­n Republik und den USA. Denn ungeachtet aller schönen Worte, auf den Durchhalte­willen der verblieben­en fünf Atomvertra­gsstaaten kann Teheran nicht setzen. „Wer mit dem Iran Geschäfte macht, wird keine Geschäfte mit den USA machen“, drohte US-Präsident Trump per Twitter. Europa vermag seine Firmen nicht zu Iran-Geschäften zu zwingen. Die eigenen Banken mauern, und das so genannte Blockade-Statut der EU, das europäisch­en Unternehme­n die Einhaltung der US-Sanktionen verbietet, dürfte sich schon bald als stumpfe Waffe erweisen. Den strategisc­hen Zielen Russlands für ein Nachkriegs­syrien kämen gestutzte iranische Flügel gelegen. Und China könnte seine Solidaritä­t über Bord werfen, wenn sich dadurch der Handelsstr­eit mit den USA aus der Welt schafften ließe.

Und so hat Teherans Führung offenbar über den Außenminis­ter des Oman bereits seine Fühler nach Washington ausgestrec­kt und einen umfassende­n Verhandlun­gskatalog übermittel­t, den man in der Sprache des Immobilien­moguls Donald Trump als „Great Bargain“bezeichnen könnte. Rückkehr der USA zum Atomvertra­g plus Ende von Wirtschaft­sboykott und US-Militärdro­hungen gegen hegemonial­e Zurückhalt­ung des Iran und konstrukti­ve Kooperatio­n bei der Lösung aller regionalen Konflikte, so lauten anscheinen­d die groben Linien. Es ist nicht das erste Mal, dass die Islamische Republik ihrem Erzfeind jenseits des Atlantiks einen solch umfassende­n Interessen­ausgleich vorschlägt. Im März 2003 allerdings wurde der Vorstoß des damaligen Reformpräs­identen Mohammad Khatami im Weißen Haus von George W. Bush nicht einmal ernsthaft geprüft. Ein Fehler.

Reif für den Rückzug aus dem Jemen

Damals, nach dem 11. September 2001, ging es neben dem Atomprogra­mm vor allem um eine Kooperatio­n in Afghanista­n gegen Taliban und al-Qaida. Inzwischen umfasst die bilaterale Konfliktli­ste mit Syrien, Jemen, Irak, Gaza und Libanon nahezu die halbe arabische Welt. In Syrien jedoch ist aus der Sicht von Irans Strategen das Maximale erreicht, will man Israel nicht weiter reizen und sich Russland am Ende zum Gegner machen. Im Jemen ist der Schaden für Saudiarabi­en inzwischen derart gewaltig, dass Riad den Konflikt mit den Houthis lieber heute als morgen beenden würde, wenn sich dabei das Gesicht einigermaß­en wahren ließe. Im Inneren von Irak und Libanon hat Teheran sowieso nichts zu befürchten. Seine Emissäre dort ziehen an vielen Strippen und sind fest verwoben im politische­n Geschehen.

Und so könnte sich Irans Führung möglicherw­eise durchringe­n, den Giftbecher zu trinken, wie Staatsgrün­der Ayatollah Khomeini im Jahr 1988 seine widerwilli­ge Unterschri­ft unter den Waffenstil­lstand für den achtjährig­en Krieg mit dem Irak charakteri­sierte. 30 Jahre später würde die Islamische Republik eine Reduktion ihres regionalen Radius eintausche­n gegen ausländisc­he Investitio­nen und ein wirkliches Ende aller Sanktionen. Denn wirtschaft­liche Misere und Reformstil­lstand zehren nicht nur an den Nerven der Bürger, sondern auch an dem ideologisc­hen Fundament der Islamische­n Republik.

Zweifel am System

Immer mehr Menschen zweifeln an diesem System. Vor allem die jungen Iraner gehen auf die Straßen, weil sich die Staatselit­e teure außenpolit­ische Abenteuer leistet, während es der eigenen Bevölkerun­g am Nötigsten fehlt. Hassan Rohani gehört gewiss nicht zu den Politikern, die von einer staatspoli­tischen Wende zurück zum Wohle des eigenen Volkes überzeugt werden müssen. Die Blockierer sind die Hardliner um den Obersten Revolution­sführer Ali Khamenei und dessen Revolution­äre Garden. Sie müssen sich nun entscheide­n – spätestens nach der zweiten Phase der USSanktion­en im November, wenn auch Irans Ölexporte ins Visier geraten.

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