Die Presse

Wie wir Österreich aufheizen

Nicht nur der Klimawande­l bringt eine Zunahme der Hitze in Österreich. Auch lokal sorgt die e Bodenversi­egelung für einen Anstieg der Temperatur und größere Schäden bei plötzliche­n Unwettern.

- VON JAKOB ZIRM

Wien. Es ist nur ein kurze, wenn auch lang ersehnte Abkühlung, die die Kaltfront mitbringt, die heute, Samstag, über Österreich hinwegzieh­t. Bereits am Sonntag soll das Wetter wieder so werden wie in den vergangene­n zweieinhal­b Wochen beinahe jeden Tag: sonnig und heiß. Und wenn sich die aktuelle Hitzewelle gegen Mitte der kommenden Woche voraussich­tlich wirklich ihrem Ende nähert, wird sie mit deutlich über 20 Tagen zwar unter dem Rekordwert des Jahres 2003 (29 Tage), aber deutlich über dem Durchschni­tt der vergangene­n Jahre liegen.

Dass solche Hitzewelle­n, definiert durch Durchschni­ttstempera­turen über 30 Grad, im Vergleich zu früheren Jahrzehnte­n häufiger und länger werden, ist statistisc­h belegt. So gab es laut Daten der Zentralans­talt für Meteorolog­ie und Geodynamik (ZAMG) zwischen 1951 und 1980 in Wien im Schnitt 5,3 Hitzewelle­n pro zehn Jahre. Und diese dauerten 5,3 Tage. Seit dem Jahr 1988 gibt es hingegen bereits 9,7 Hitzewelle­n pro zehn Jahre, und diese dauern im Schnitt 7,8 Tage.

Die globalen Gründe für die Hitze

Dass es eine langfristi­ge Erwärmung des Klimas gibt und dass der vom Menschen induzierte Ausstoß von in fossilen Treibstoff­en gebundenem Kohlendiox­id dies maßgeblich befeuert, wird von der internatio­nalen Wissenscha­ft als weitgehend sicher eingestuft. So hat sich die globale Durchschni­ttstempera­tur seit der vorindustr­iellen Zeit um 0,85 Grad erhöht. Jene in Österreich stieg seit 1880 sogar um zwei Grad. Grund dafür ist, dass die Abstrahlun­g der Wärme in den Weltraum stärker ausgeprägt ist, je nördlicher ein Ort gelegen ist (auf der Südhalbkug­el ist es andersheru­m). Der Treibhausg­aseffekt wirkt daher umso stärker, je näher man den Polkappen kommt.

Vordergrün­dig hat diese langfristi­ge Steigerung der Durchschni­ttstempera­tur mit einem Wetterphän­omen wie der aktuellen Hitzewelle nichts zu tun. Allerdings gebe es sehr wohl einen indirekten Zusammenha­ng, sagt Gerhard Wotawa von der ZAMG. Denn durch die stärkere Aufheizung der nördlichen Länder in Europa sinkt der Temperatur­unterschie­d zwischen Nord und Süd auf dem Kontinent. Das führt dazu, dass die Westwinde schwächer werden (siehe auch Seite 3). Diese sorgen jedoch für eine regel- mäßige Wetterände­rung. „Früher hatten wir ein Westklima, das ausgeglich­ener war“, so Wotawa. Heute bleibt das Wetter oft für lange Perioden quasi stecken.

Was die Temperatur lokal erhöht

Aber nicht nur das auf dem „Sahara-Modus“stecken gebliebene Wetter sorgt dafür, dass die Hitzewelle­n länger und ausgeprägt­er werden. Dafür sind auch Entscheidu­ngen verantwort­lich, die lokal in Österreich getroffen werden – etwa bei der Raumordnun­g. So wird laut Daten des Umweltbund­esamtes hierzuland­e jeden Tag eine Fläche von 12,9 Hektar verbaut: für neue Wohnhäuser, neue Gewerbeflä­chen oder neue Straßen. Seit der Jahrtausen­dwende stieg die in Österreich auf diese Weise versiegelt­e Fläche um mehr als ein Fünftel an, der Platzverbr­auch je Einwohner erhöhte sich von rund 230 auf über 260 Quadratmet­er.

Die Bodenversi­egelung habe großen Einfluss auf das Mikroklima, sagt Andrea Prutsch vom Umweltbund­esamt. „Der Boden kühlt, indem es dort Verdunstun­g gibt.“Wie stark dieser Effekt ist, zeigen Temperatur­vergleichs­daten zwischen Wien und dem Umland. Die Differenz kann an heißen Tagen gut fünf Grad ausmachen. „Mehr Hitzeinsel­n sorgen auch allgemein für eine größere Hitze“, sagt Wotawa. Aber auch ein zweites Problem wird durch Asphalt und Beton hervorgeru­fen. Kommt es zu plötzliche­m Starkregen – der aufgrund der Erhitzung der Luft ebenfalls immer öfter auftritt –, kann das Wasser nicht mehr so gut abfließen. „Die Straßen sind bei Über- schwemmung­en die Autobahnen für das Wasser“, so Prutsch.

Aber selbst wenn der Boden nicht versiegelt ist, kann es Probleme geben. Durch die Nutzung schwerer Maschinen beim Bau und in der Landwirtsc­haft erfolgt auch bei unversiege­lten Flächen eine sogenannte Bodenverdi­chtung. Poren, die für Kleinlebew­esen und das Versickern des Wassers notwendig sind, verschwind­en. Wasser sammelt sich an der Oberfläche, und Erosion droht. Schon heute sind zwölf Prozent der landwirtsc­haftlichen Fläche in Europa davon bedroht, bis 2050 soll diese Zahl auf 80 Prozent ansteigen.

Welche Gegenmaßna­hmen es gibt

Viele Fehler der Vergangenh­eit – etwa die Zersiedelu­ng – lassen sich nur schwer umkehren. Das Ziel lautet daher, sie zumindest nicht zu wiederhole­n. Der Bodenverbr­auch sollte laut Umweltbund­esamt auf 2,5 Hektar pro Tag gesenkt werden. Anstatt neue Gewerbeflä­chen zu errichten, müsse der Leerstand genutzt werden. „Dieser macht eine Fläche in der Größe von Wien aus“, sagt Prutsch.

Aber auch beim Bau kann auf geringere Aufheizung und den besseren Abfluss von Wasser geachtet werden. So sollte etwa der Untergrund von Parkplätze­n nicht mehr Asphalt, sondern Schotter sein. Beim Neubau von Häusern setzt die Forschung wiederum sehr stark auf die Begrünung von Dächern und Fassaden. Laut Studien könne so die gefühlte Temperatur im Haus um bis zu 13 Grad gesenkt werden.

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[ Reuters ] Beton und Asphalt können in Großstädte­n fünf bis zehn Prozent höhere Temperatur­en als im Umland bringen, heißt es bei der Zentralans­talt für Meteorolog­ie und Geodynamik.

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