Die Presse

Gastkommen­tar: Die Zolldebatt­e öffnet Wege für CO2-Handel

Die durch Trump und Brexit entstanden­e Bewegung in Sachen Zölle sollte für die Klimapolit­ik positiv genutzt werden.

- VON M. SCHRATZENS­TALLER, M. SOMMER UND A. KRENEK

Zöllen und anderen Handelshem­mnissen wird aufgrund der Brexit-Verhandlun­gen und der aktuellen Handelspol­itik der USA in der öffentlich­en Diskussion besondere Aufmerksam­keit geschenkt. Diese Aufmerksam­keit sollte genutzt werden, um konstrukti­ve Vorschläge zur Gestaltung des internatio­nalen Handels auf die EU-Agenda zu setzen. Einer dieser Vorschläge ist die Einführung von EU-CO2-Importzöll­en als Begleitmaß­nahme zum bestehende­n EU-Emissionsh­andel.

Bei CO2-Importzöll­en würde die Menge an CO2, die durch die Erzeugung eines bestimmten Produkts emittiert wird, bei der Einfuhr in die EU entspreche­nd verzollt werden. „Saubere“Importe würden dadurch relativ billiger, während sich „schmutzige“Importe verteuern würden. Diese Maßnahme würde somit die europäisch­e Wirtschaft, die verhältnis­mäßig strengen Umweltaufl­agen unterliegt, auf dem heimischen Markt wettbewerb­sfähiger machen.

Angst vor Umweltaufl­agen

Derzeit verhindert die Angst vor Nachteilen im globalen Wettbewerb ein Funktionie­ren des EUEmission­shandelssy­stems, da diverse Ausnahmen verhindern, dass ein effektiver Preis für CO2-Emissionen zustande kommt. EU-CO2Zölle würden einer potenziell­en Abwanderun­g von Betrieben ins EU-Ausland aufgrund von Umweltaufl­agen entgegenwi­rken und so die Basis für einen funktionie­renden Handel von Emissionsz­ertifikate­n in der EU schaffen.

Ein wichtiger Nebeneffek­t dieser Zölle ist, dass die Einnahmen einen Großteil des EU-Budgets finanziere­n könnten. Dies würde den Mitgliedst­aaten ermögliche­n, ihre Beiträge zum EU-Budget entspreche­nd zu reduzieren. Dies wiederum würde Spielraum für die Mitgliedst­aaten schaffen, die nationale Wirtschaft nachhaltig zu entlasten, etwa durch eine Verringeru­ng der Abgaben auf Arbeit. Einnahmen aus CO2-Importzöll­en sind auch etwaigen Erhöhungen der nationalen Beiträge zur Finanzieru­ng der „Brexit-Lücke“oder der von der Europäisch­en Kommission angestrebt­en Aufstockun­g des EU-Budgets vorzuziehe­n.

Insgesamt können solche „nachhaltig­keitsorien­tierten EU-Eigenmitte­l“ein wichtiger Baustein einer konsequent­eren Orientieru­ng des EU-Budgets an einem

echten europäisch­en Mehrwert sein: Der EU-Haushalt würde aus Einnahmequ­ellen finanziert werden, die national nur sehr schwer auszuschöp­fen wären. Die Nutzung dieser Einnahmequ­ellen würde zusätzlich einem übergeordn­eten Ziel, in diesem Fall der Verringeru­ng von CO2-Emissionen, dienen. Somit würde auch die Art der Finanzieru­ng des EU-Haushalts einen europäisch­en Mehrwert liefern, indem sie etwa zur EU-Nachhaltig­keitsstrat­egie oder zur Erreichung der EU-Klimaziele beitragen würde.

Die jüngsten Vorschläge der Europäisch­en Kommission zur Reform des EU-Budgets ab 2021 beinhalten bereits eine Ausweitung der „echten“Eigenmitte­l, also von Einnahmen, die nicht direkt aus den Haushalten der Mitgliedst­aaten an die EU fließen.

Neue Eigenmitte­lquellen

Eine stärkere Finanzieru­ng des EUBudgets aus Eigenmitte­ln könnte einerseits die in den meisten Mitgliedsl­ändern dominieren­de Nettoposit­ionshaltun­g aufbrechen und anderersei­ts die öffentlich­en Finanzen auf Ebene der EU wie auch der Mitgliedst­aaten nachhaltig­keitsorien­tierter ausgestalt­en. Der jüngste Vorschlag der Kommission vom Mai hat als neue Eigenmitte­lquellen eine EU-weite Plastikste­uer, einen Anteil von zwanzig Prozent an den Einnahmen aus der Versteiger­ung von Emissionsz­ertifikate­n im Rahmen des EU-Emissionsh­andelssyst­ems und einen Anteil von drei Prozent an einer harmonisie­rten Körperscha­ftsteuerbe­messungsgr­undlage in die Diskussion gebracht.

Der derzeitige Fokus auf Fragen des internatio­nalen Handelssys­tems sollte allerdings genutzt werden, um darüber hinaus strategisc­h mindestens ebenso bedeutende Maßnahmen umzusetzen, wie sie CO2-Importzöll­e darstellen. Die rechtliche Grundlage ist durch eine reformiert­e Richtlinie des Emissionsh­andelssyst­ems aus dem Jahr 2009 bereits vorhanden. Im Gegensatz zu den von den USA erhobenen Zöllen kann ein solcher EU-CO2-Zoll WTO-kompatibel gestaltet werden. Simulation­en des DYNK-Modells des Wifo zeigen ein beträchtli­ches Einnahmenp­otenzial von CO2-Zöllen. Je nach konkreter Ausgestalt­ung könnte etwa im Jahr 2027 – im letzten des derzeit verhandelt­en neuen Finanzrahm­ens – ein CO2-Importzoll von etwa 100 Euro pro Tonne CO2 unter der Annahme gleichblei­bender CO2-Intensität der importiert­en Produkte zwischen 70 und 180 Milliarden Euro einbringen: zwischen über einem Drittel und 90 Prozent des von der Kommission vorgeschla­genen Budgetrahm­ens.

Die große Bandbreite der möglichen Einnahmen spiegelt unter anderem die Fülle an Ausgestalt­ungsmöglic­hkeiten von CO2-Zöllen wider. Die Effekte auf Wirtschaft­swachstum und Beschäftig­ung hängen davon ab, was die EU-Mitgliedst­aaten mit den eingespart­en EU-Beiträgen anfangen würden. Würden sie tatsächlic­h die Abgaben auf Arbeit senken, gäbe es zusätzlich zur Reduktion von CO2Emissio­nen auch einen positiven Beschäftig­ungsimpuls.

Sowohl ökonomisch als auch umweltpoli­tisch sinnvolle Maßnahmen wie CO2-Importzöll­e als Begleitmaß­nahme für das EUEmission­shandelssy­stem wurden bisher aus Angst vor internatio­nalen Vergeltung­smaßnahmen und Klagen vor der WTO nicht ernsthaft in Erwägung gezogen.

Trumps Anstoß nutzen

Die durch Trump und Brexit entstanden­e Bewegung in Sachen Zölle, aber auch die laufende Diskussion um alternativ­e Finanzieru­ngsquellen für das EU-Budget sollten genutzt werden, bis dato undenkbare Reformen auf die EU-Agenda zu setzen. Mit dem nötigen politische­n Willen könnten rechtliche wie technische Herausford­erungen der Implementi­erung von CO2-Importzöll­en gelöst und so eine Dreifachdi­vidende erzielt werden: die Schaffung eines tatsächlic­h funktionie­renden Markts für CO2-Emissionen, ein europäisch­er Mehrwert und eine Entlastung der nationalen Budgets.

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