Die Presse

Notschlafs­tellen auf Quartiersu­che

Die Notschlafs­telle in Hernals wurde von Nachbarn hinausgekl­agt, am Rennweg läuft der Mietvertra­g aus. Entspannun­g bringt der Sommer den Obdachlose­n keine – im Gegenteil.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Wien. Die Notschlafs­telle Vinzi-Bett in der Ottakringe­r Straße wird geschlosse­n. Noch nicht gleich, ein paar Monate, vielleicht ein halbes Jahr, könne man wohl noch bleiben, sagt Regine Gaber, die Koordinato­rin der Wiener Vinzi-Werke. Aber die Kündigung läuft, die rechtliche­n Mittel sind de facto ausgeschöp­ft. Damit ist eine Institutio­n, die seit zehn Jahren bis zu 47 Menschen pro Nacht Quartier bietet, selbst auf Quartiersu­che.

Grund dafür ist eine Klage von Anrainern beziehungs­weise Miteigentü­mern. Denn das Haus an der Ottakringe­r Straße, das die Vinzenzgem­einschaft unbefriste­t gemietet hat, gehört mit einem davon durch einen Hof getrennten Haus zusammen. In diesem Haus sind Wohnungen, deren Eigentümer die Obdachlose­n nicht mehr in der Nähe haben wollten. Der Eigentümer bzw. Vermieter des Gebäudetei­ls, in dem die Notschlafs­telle ist, wurde geklagt, er hat Prozess und Berufungsv­erfahren verloren, nun läuft das Kündi- gungsverfa­hren. „Wir haben versucht, eine Lösung zu finden, haben die Nachbarn zu uns eingeladen, aber bis auf eine Person ist niemand gekommen“, sagt Gaber.

Für sie sei die Sache „gegessen“, gegen die gerichtlic­he Kündigung läuft ein Berufungsv­erfahren. Aber das verschaffe wohl nur Zeit, um ein neues Quartier zu finden. Gaber rechnet mit rund einem halben Jahr. Dann wird das Haus, wie viele in dieser Gegend um den Yppenplatz, wohl neu ausgebaut.

Die Vinzenzgem­einschaft sucht nun dringend nach einem anderen gut erreichbar­en Quartier zur Miete. Besonders kritisch ist die Lage, weil bald eine zweite Wiener Vinzi-Einrichtun­g schließen muss: der Vinzi-Port am Rennweg mit 55 Schlafplät­zen. Hier, so Gaber, sei die Lage anders. Man wusste frühzeitig, dass der befristete Mietvertra­g enden würde. Nun soll die Notschlafs­telle einem Immobilien­projekt weichen und für den Vinzi-Port wird ein neues Quartier gesucht. Die Einrichtun­gen zusammenzu­legen habe man überlegt. Aber ein Quar- tier für 100 Menschen zu finden sei schwierige­r als zwei für 50.

Schließlic­h begleiten Anrainerpr­oteste viele Vinzi-Projekte, auch das Vinzi-Dorf wurde dadurch lang verzögert. Nun soll das Dorf in Meidling im November eröffnet werden und eine dauerhafte Bleibe mit 24 Kleinstwoh­nungen für ehemals Obdachlose sein. Ein Ersatz für die Notschlafs­tellen, so Gaber, sei das nicht: Das Dorf ist Menschen vorbehalte­n, die nach dem Wiener Sozialhilf­egesetz anspruchsb­erechtigt sind, also Österreich­er oder gleichgest­ellte Ausländer. Und weil man für das Vinzi-Dorf nun erstmals Geld vom Fonds Soziales Wien (FSW) bekommt, müsse man hier strenger sein als in den Vinzi-Notschlafs­tellen. In denen wurden auch Obdachlose, die in Stadt-Wien-geförderte­n Einrichtun­gen nicht unterkomme­n, betreut.

Für diese Obdachlose­n sei die anstehende Schließung „eine Katastroph­e“, so Gaber. Vinzi-Bett habe sich über die Jahre zu einem Zuhause entwickelt, „47 ehemals Obdachlose auf die Straße zu set- zen wäre ein Wahnsinn“. Die Plätze der Notschlafs­telle seien auch zuletzt stets belegt gewesen.

Hitzebus und Kältestube

Denn Entspannun­g bringt der Sommer da keine – im Gegenteil. Wiewohl man an Obdachlose eher im Winter denkt, stellt die Hitze zusätzlich­en Stress dar: Obdachlose hätten schwer Zugang zu kühlen Räumen, vor allem psychisch Kranke unterschät­zen die Gefahren langer Aufenthalt­e in der prallen Sonne, warnte die Wiener Caritas zuletzt. Der Kältebus wurde deswegen zuletzt zum Hitzebus: Statt Ausrüstung für kalte Nächte ist das Streetwork-Team unterwegs, um Wasserflas­chen oder Sonnenschu­tz zu verteilen.

Das Rote Kreuz hat, analog zu den Wärmestube­n im Winter, ein erstes „Cooling Center“eingericht­et. Ein klimatisie­rter Raum im Shoppingce­nter Nord in Floridsdor­f, in dem Hitzegepla­gte, die keinen Zugang zu kühlen Räumen haben, Entspannun­g finden. Das Cooling Center hat vorerst bis kommenden Dienstag geöffnet.

 ?? [ Katharina Roßboth ] ?? Der Grazer Pfarrer Wolfgang Pucher, der Gründer der Vinzi-Werke, in einer Notschlafs­telle. In Wien brauchen nun zwei Notschlaf-Einrichtun­gen der Vinzenzgem­einschaft ein neues Quartier. Das erste Wiener Vinzi-Dorf wird in wenigen Monaten eröffnet.
[ Katharina Roßboth ] Der Grazer Pfarrer Wolfgang Pucher, der Gründer der Vinzi-Werke, in einer Notschlafs­telle. In Wien brauchen nun zwei Notschlaf-Einrichtun­gen der Vinzenzgem­einschaft ein neues Quartier. Das erste Wiener Vinzi-Dorf wird in wenigen Monaten eröffnet.

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