Die Presse

Wie aus der Türkei- eine Eurokrise wird

Die türkische Blase wurde in hohem Maß von EuroBanken finanziert.

- Josef.urschitz@diepresse.com

Die haben ihre Dollars, wir haben unseren Gott“– klingt ziemlich verzweifel­t, was der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdogan,˘ da gestern angesichts der eskalieren­den Währungskr­ise in seinem Land von sich gegeben hat. Noch verzweifel­ter als der vorangegan­gene Aufruf an seine Landsleute, ihre Dollar- und Euroguthab­en zwecks Stützung in Türkische Lira umzuwechse­ln (während die Nomenklatu­ra in Ankara ihre Schäfchen längst im Ausland in Sicherheit gebracht hat).

Die schwere Krise, die sich da abzeichnet, kommt freilich nicht überrasche­nd: Seit Jahren warnen Analysten davor, dass das vermeintli­che Wirtschaft­swunder der Türkei auf massiver Auslandsve­rschuldung beruht und dass diese Blase platzen wird, sobald der kontinuier­liche Dollarstro­m nach Kleinasien versiegt.

Jetzt sind wir an diesem Punkt angelangt: massive Kapitalflu­cht, Währungsve­rfall um 40 Prozent seit Jahresbegi­nn (was die Auslandssc­hulden in Landeswähr­ung um zwei Drittel [!] erhöht), erste Umschuldun­gen bei wackelnden Großkonzer­nen.

Goldman Sachs schätzt, dass es bei einem Kurs von ungefähr sieben Lira für den Dollar knallt. Bei knapp sechs stehen wir schon. J etzt Bier und Chips zu holen und erste Reihe fußfrei anzuschaue­n, ob Allah dem Sultan in Ankara wirklich die Schulden begleicht oder wir die nächste massive Schwellenl­andkrise sehen, ist freilich fehl am Platz. Denn Schuldner haben auch Gläubiger. Und sie sitzen in hohem Maß in Spanien (80 Mrd. Dollar), Frankreich (40 Mrd.), Italien (17 Mrd.) und Deutschlan­d (15 Mrd.), also im Euroraum.

Wenn die türkische Wirtschaft kracht, steuern wir so gesehen rasend schnell auf die nächste Großbanken­rettung in Euroland zu. Und Österreich findet sich über die besonders stark in der Türkei engagierte Bank-Austria-Mutter UniCredit mit drin.

Die Lage ist sehr ernst. Denn die Wahrschein­lichkeit, dass der Autokrat in Ankara zur Vernunft kommt und eigene Fehler korrigiert, ist gering. Die kreditfina­nzierte Türkei-Blase wird also wohl auch uns um die Ohren fliegen. Offenbar lernt man aus Krisen nie.

Newspapers in German

Newspapers from Austria