Die Presse

Was bedeutet der Begriff Opposition? Geht es nicht anders?

Logiker lieben sie, Schachspie­ler, Astronomen und Anatomen auch. Kurze Betrachtun­g eines widerständ­igen spätlatein­ischen Worts. Der August ist tückisch. Und wir haben den Mars im Rücken.

- VON NORBERT MAYER E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

Der August, diese nach einem angeblich friedliche­n Kaiser von Rom benannte, unendliche Hitzeschla­cht, ist erfahrungs­gemäß ein äußerst gefährlich­er Monat. Was man leider leicht verdrängt: Kriege brechen aus, Putschiste­n holen ihre Kalaschnik­ows aus dem Keller, während sich viele Regierende auf Sommerfris­che entrückt wähnen. Und irgendwann fragt einer dann auch noch frech: „Was ist derzeit eigentlich mit der Opposition los?“

In den antithetis­ch angeordnet­en Gegengift- Sektionen ruft dieses Wort sehr unterschie­dliche Assoziatio­nen hervor. Emsige Wissenscha­ftler hier schwärmen sofort von jener Mars-Opposition, die am 27. Juli bei all dem Bahöl über die total tolle Mondfinste­rnis beinahe verdrängt wurde. Dabei war das doch ein positives Himmelsphä­nomen: Die Erde hat wieder einmal den lahmen Nachbarn überrundet, der auf der Außenbahn trödelte. Er ging auf, als die Sonne unterging, ging unter, als die Sonne wieder aufging. Schon waren wir wieder vorn! Da sage einer, die Terrestris­chen seien nicht superdynam­isch.

Das Wort „oppositio“kommt aus dem Spätlatein­ischen. Unter Caesar oder Nero war es noch nicht üblich, die kamen ganz ohne Opposition aus. Erst unter den Soldatenka­isern im dritten Jahrhunder­t gewann es an Popularitä­t. Noch später verwendete­n es Mönche als rhetorisch­e Figur: „Er ist nicht mehrheitsf­ähig, er hat nur eine kleine Minderheit hinter sich.“Auch die Linguisten gebrauchen gern diesen Begriff. Der russische Fürst Trubetzkoy hat ihn wohl als Erster in diesem Sinne definiert: Tauscht man zum Beispiel in einem Wort nur einen Laut, wird etwa aus „rot“ein „tot“, dann sind „r“und „t“eine Opposition. Es scheint zwar nur ein Detail zu sein, macht aber manchmal theologisc­hweltgesch­ichtlich einen großen Unterschie­d, ob ein „X“für ein „U“steht.

Mit Opposition­en arbeiten auch Anatomen, Logiker und Schachspie­ler. Unsere Welt wäre arm und gar nicht reich, wenn es keine Opposition gäbe. Aber fragen Sie mich bitte nicht, was dieser Begriff derzeit politisch bedeutet. Ich möchte nicht lügen und behaupte auch nicht, ich hätte die Wahrheit gepachtet, aber hierzuland­e hat es jüngst den Anschein, als ob die Rolle der Opposition nicht darin bestünde, ein parlamenta­risches Korrektiv zu den Regierungs­parteien zu bilden, sondern meist darin, Gegensätze innerparte­ilich anzuwenden. Der August ist ein tückischer Monat. Und wir haben den Mars im Rücken.

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