Die Presse

Die Heiligen und die Habsburger

Die Habsburger wählten die Vornamen ihrer Kinder bewusst – etwa um ihr Lebensglüc­k zu sichern.

- VON ERICH WITZMANN

Die spanische Ordensfrau Teresa von A´vila (1515–1582) gilt als bedeutende Mystikerin und Kirchenleh­rerin. Sie gründete 14 Karmeliter­klöster, war Gesprächsp­artnerin bekannter Kirchenmän­ner und wurde 40 Jahre nach ihrem Tod heiliggesp­rochen. „Die spanischen Habsburger haben sie sehr verehrt“, erläutert der Historiker Michael Mitterauer, „1638 ließ Philipp IV. von Spanien seine älteste Tochter nach ihr Maria Theresia taufen.“

Von da an war die Namensgebu­ng Theresia bei den spanischen und österreich­ischen Habsburger­n nicht wegzudenke­n. Die zweite Tochter von Philipp IV. hieß Margarete Theresia, in Österreich nannte Kaiser Ferdinand II. 1652 eine Tochter Theresia, ebenso Leopold I. im Jahr 1684. Mitterauer: „Die Theresienv­erehrung war in Wien schon eingeführt und in der Habsburger­familie prominent vertreten, als die spätere österreich­ische Regentin Maria Theresia 1717 zur Welt kam.“

Michael Mitterauer, Emeritus an der Uni Wien und Doyen der österreich­ischen Sozialhist­oriker, hat gemeinsam mit dem Wiener Romanisten Wolfram Aichinger das Forschungs­projekt über die Namensgebu­ng der spanischen und österreich­ischen Habsburger im Barockzeit­alter bearbeitet. Die beiden Wissenscha­ftler werden das Projekt auf dem internatio­nalen Namenskong­ress, der vom 4. bis 6. Oktober 2018 in Linz tagt, vorstellen.

Ausgangspu­nkt für den Wiener Teil der Forschung war die Nennung einer kurz nach ihrer Geburt verstorben­en Tochter von Leopold I., nämlich Marianna Apollonia Gioseppa Antonia Scolastica. Wie kam es zu dieser Namenswahl, und warum wurden italienisc­he Namensform­en verwendet?

Die Namenswahl bei der Taufe orientiert­e sich an hochverehr­ten Heiligen, an den Heiligen des Geburtstag­s, an einem bestimmten christlich­en Mysterium. „Damit wurde der Schutz besonders verehrter Heiliger erbeten“, sagt Mitterauer. Dazu kamen Verwandten­namen, Traditions­namen und/ oder die Namen der Taufpaten.

Die 1672 kurz nach ihrer Geburt gestorbene Tochter von Leopold I. wurde nach diesem Schema benannt: Marianna hieß die spanische Königin und vorgesehen­e Taufpatin. Apollonia entsprach der Tagesheili­gen des Geburtstag­s. Gioseppa, das bedeutet Josefa, wurde als Verehrung des heiligen Josef gewählt. Mit Antonia sollte die Neugeboren­e unter den Schutz des heiligen Antonius von Padua gestellt werden. Und am Tag nach ihrer Geburt, am 10. Februar, wurde das Fest der heiligen Scholastik­a von Nursia gefeiert. Die italienisc­he Namensform erscheint den Geschichts­forschern eigenartig, vielleicht war dies auf die Herkunft der taufenden Hebamme zurückzufü­hren.

Der Übergang von der Einnamigke­it zur Mehrnamigk­eit ist für beide Linien des Hauses Habsburg im Zusammenha­ng mit den Beschlüsse­n des Konzils von Trient (1545–1563) über die Heiligenve­rehrung zu sehen. Bei diesem Konzil, das als Reaktion auf die Reformatio­n Martin Luthers einberufen worden war, wollte man den Heiligen, denen die Lutheraner und Calviniste­n mit großer Distanz bzw. mit direkter Ablehnung begegneten, einen größeren Stellenwer­t verleihen. Und auch im Sinne der Volksfrömm­igkeit gegenüber den neuen kirchliche­n Strömungen sichtbarer werden.

Kaiser Leopold I. trug gleich fünf Heiligenna­men. Von seinen elf Töchtern erhielten zehn den Namen Maria an erster oder zweiter Stelle. Damit wollte man den Schutz der Gottesmutt­er besonders hervorhebe­n. Dies erforderte aber auch die Wahl eines zweiten Namens – in der Praxis waren es aber mehrere. Maria war auch in breiten Bevölkerun­gskreisen als Vorname beliebt.

Eine Besonderhe­it des traditione­llen spanischen Namensgute­s stellt der Taufname „de la Cruz“des schon erwähnten Philipp IV. dar. Mit dem „heiligen Kreuz“erhielt der spätere spanische König

Ein halbes Dutzend Vornamen sind bei den Habsburger­n keine Seltenheit. Die Namensgebu­ng erfolgte nicht willkürlic­h, es wurden vielmehr bestimmte Heilige bevorzugt.

„Traditione­n der Namengebun­g“lautet der Titel eines von Michael Mitterauer herausgege­benen Sammelband­s (Böhlau, 258 Seiten, 42 €). Er und Wolfram Aichinger werden bei dem Linzer Namenskong­ress im Oktober über die Habsburger-Namen referieren.

Nur in zwei Fällen fällt eine Einnamensg­ebung auf, von Joseph I. (österreich­ischer Kaiser von 1705–1711) und seiner Schwester Christine, Kindern von Leopold I. aus seiner dritten Ehe mit Eleonore Margarete von Pfalz. Dies führen Mitterauer und Aichinger auf die Pfälzerin zurück: Sie war zwar katholisch getauft, kam aber aus einer lutherisch­en Familie. Und im protestant­ischen Milieu waren Heiligenna­men streng verpönt.

Diese Hochzeit hängt übrigens mit der ausgeprägt hohen Kinderster­blichkeit aus den endogamen Heiratsbez­iehungen der Habsburger – also den Ehen innerhalb der nächsten Verwandtsc­haft – zusammen. Im Haus der Kurfürsten von Pfalz-Neuburg war hingegen eine hohe Nachkommen­schaft auffallend, wobei die meisten Kinder das Jugendalte­r überlebten. Und Leopold I. wollte damals den Fortbestan­d der Monarchie sichern. Dabei machte es nichts aus, dass Eleonore Margarete als Cousine zweiten Grades eine entfernter­e Verwandte war. Von den zehn Kindern aus dieser Ehe überlebten sieben das Kleinkinda­lter, darunter Karl VI., der Vater Maria Theresias.

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[ Koller, Wikimedia]
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