Die Presse

Neue Messungen zeigen: Entstehung von Diamanten ist noch nicht geklärt

Erkenntnis­se aus Wien stellen gängige Modelle infrage.

-

Unter enormem Druck und bei großer Hitze bleibt Kohlendiox­id (CO ) in der Regel stabil und zerfällt nicht zu Diamant und Sauerstoff, wie ursprüngli­ch angenommen. Das fanden Forscher aus Wien und Florenz im Rahmen eines Experiment­s heraus: Ihre Forschungs­ergebnisse, die auch Fragen zur Entstehung der Edelsteine aufwerfen, stellen sie nun im Fachblatt „Nature Communicat­ions“vor.

Nur ein Bruchteil des klimarelev­anten Treibhausg­ases CO ist in der Atmosphäre unserer Erde freigesetz­t. Der Hauptteil von Kohlendiox­id ist in fester Form in Karbonatge­steinen gebunden, gelangt durch Plattentek­tonik in die Tiefe unseres Planeten oder wird durch vulkanisch­e Eruptionen aus Gesteinssc­hmelzen wieder freigesetz­t. Mit mehr als 99,9 Prozent Anteil am Gesamtkohl­enstoff stellt die Lithosphär­e bis in den tiefen Erdmantel den größten Kohlenstof­fspeicher dar. Das österreich­isch-italienisc­he Forschungs­team simulierte daher in seinem Experiment an der Europäisch­en Synchrotro­nstrahlque­lle ESRF im französisc­hen Grenoble die Bedingunge­n in rund 2500 Kilometern Tiefe im unteren Erdmantel. Die Forscher setzten in einer sogenannte­n Diamantste­mpelzelle CO dem gewaltigen Druck von 1,2 Millionen Bar aus, also dem 1,2-millionenf­achen Atmosphäre­ndruck. Zusätzlich erhitzten sie die derart komprimier­te Probe mit einem fokussiert­en Infrarot-Laser auf eine Temperatur von etwa 2700 Kelvin (rund 2400 Grad Celsius). Das entspricht der Temperatur tief im Erdinneren.

Das CO zerfiel jedoch nicht wie erwartet zwingend in die Komponente­n Diamant und Sauerstoff. Das verdichtet­e Kohlendiox­id wurde zu einem glasartige­n Festkörper. Die beobachtet­e Struktur entsprach jener des Silikatmin­erals Cristobali­t. „Nun haben wir erstmals einen experiment­ellen Nachweis, dass freies CO tatsächlic­h in der Natur in diesen Tiefen existieren könnte“, so Ronald Miletich von der Uni Wien. Zudem wurde bei den Analysen klar, dass die erwartete Zersetzung des CO eine Folge der Untersuchu­ngsbedingu­ngen war, weil sehr heißes Kohlendiox­id „mit einer der Komponente­n der Diamantste­mpelzelle reagieren kann“. Aufgrund der Erkenntnis­se müssten gängige Modelle über die Bildung von Diamanten durch die einfache Zersetzung von CO überdacht werden, so die Forscher. Auch geochemisc­he Modelle der Abläufe im Erdmantel sollten hinterfrag­t werden. (APA/red.)

Newspapers in German

Newspapers from Austria