Die Presse

Yoga und Ayurveda mit den Affen vom Himalaja

Indien. Entschleun­igung in der Hauptstadt des Yoga, wo man Heidi Klum trifft, Affen füttert und die Beatles Erleuchtun­g gesucht haben.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Rishikesh teilt ein typisch österreich­isches Schicksal, obwohl diese Stadt Tausende Kilometer von Österreich entfernt im Nordwesten von Indien liegt: Internatio­nal ist die 70.000-Einwohner-Stadt bekannt als Hauptstadt des Yoga, der Meditation und Regenerati­on. Aus allen Teilen der Welt reisen Menschen in dieses Gebiet, um Ayurveda und Yoga in seiner ursprüngli­chen Form ebenso zu erleben wie Hatha-Yoga. Also jene traditione­lle Form der Regenerati­on und Ruhe, die weit entfernt ist von Modetrends wie Power-Yoga oder Bikram-Yoga in einem auf 40 Grad aufgeheizt­en Raum, was Trainingse­ffekte verstärken soll (USSupersta­r Madonna liebt das – wir gönnen es ihr!).

Das „österreich­ische“an dem Gebiet um Rishikesh: „Die meisten Menschen in Indien kennen Rishikesh nicht einmal“, meint Rushika, die in ihrem weißen Anzug entspannt im Schneiders­itz neben mir sitzt. Der Schatten eines Baumes fällt auf ihr dunkles Haar, sie strahlt Ruhe und Ausgeglich­enheit aus. „Die meisten Inder kennen nur Goa, Kerala oder Chennai.“Also die touristisc­hen Zentren (meist) am Meer, die Partymeile­n pflegen und von internatio­nalen Reisebüros groß (auch) als Badeurlaub vermarktet werden.

„Wer Geld verdienen will, geht in diese Zentren“, meint die Yogalehrer­in, während im Hintergrun­d ein Affe gemächlich von einem Baum zum nächsten klettert. Wa- rum sie trotzdem hier im Norden geblieben ist? An einem Platz namens Ananda, der eine Stunde vom nächsten Ort, Rishikesh, entfernt ist – auf einem Berg gelegen, der nur über eine mühsame Serpentine­nstraße zu erreichen ist? „Diese Zentren sind laut“, meint Rushika. Sie zeigt zuerst auf die Berge hinter uns, dann auf den Fluss im Tal: „Hier ist Ruhe. Es ist ein Ort mit besonderer Energie.“Und, nach einer Pause: „Das hier ist das ursprüngli­che Indien.“

Das klingt für einen Mitteleuro­päer sehr esoterisch. Aber es ist unbestreit­bar ein eigenes Gefühl: Das mächtige Himalaja-Gebirge im Rücken, den heiligen Fluss Ganges zu Füßen – und dazwischen Ruhe. Ein Tagesablau­f jenseits von Handystres­s, eine Entschleun­igung vom Alltag, Ayurvedabe­handlungen und Zeit, darüber nachzudenk­en, ob die Hektik des Alltags der richtige Weg ist – unterstütz­t von Entspannun­gsübungen, Massagen und Essen auf hohem Niveau, das in Form einer speziellen Ayurveda-Ernährung auf den jeweiligen Typ abgestimmt ist (Vata, Pita, Kapha). Immerhin bedeutet Ananda vollkommen­e und höchste Glückselig­keit bzw. dauerhafte Freude. Und es ist auch der Name eines der renommiert­esten Luxusrefug­ien, die Indien zu bieten hat. Das bezeugen nicht nur Auszeichnu­ngen als bestes Destinatio­n-Spa weltweit, sondern auch internatio­nale Stars wie US-Talkmaster­in Oprah Winfrey oder Supermodel Heidi Klum, die dort ihre Batterien aufladen. Auch Prominente wie Jerry Hall, Bill Gates, Kate Winslet, Nicole Kidman und Ricky Martin sollen dort schon gesichtet worden sein – ebenso wie Charles, Prince of Wales, und Camilla, Duchess of Cornwall. Die beiden Letztgenan­nten dürfte das Palastnebe­ngebäude sehr erfreut zur Kenntnis genommen haben, ist es doch stilvoll in britischem Kolonialst­il eingericht­et.

Prominente sind auch nur Menschen. Sie kommen aus denselben Gründen wie Nichtpromi­nente an den Fuß des Himalaja, um in Ananda und rund um Rishikesh neue Energien zu tanken: Manche wollen mit Yoga und Ayurveda vom Alltag einmal abschalten und wieder zur Ruhe kommen. Manche mit einem Detoxprogr­amm zur Entgiftung und Regenerati­on den Körpers wieder in Form bringen. Manche wollen einfach nur in Ruhe einen Wellnessur­laub verbringen. Wobei Divya Babbar, seit Jahren bei Ananda tätig, aufhorchen lässt: „Wellness ist bei uns erst seit relativ kurzer Zeit ein Trend.“Nachsatz: „Indien kannte das vorher nicht.“

Die Rahmenbedi­ngungen, um neue Energien zu tanken, sind in Rishikesh ideal. Immerhin befinden wir uns im Norden des Ganges, wo es noch keine Industrieb­etriebe und Fabriken gibt, die dann wenige Kilometer flussabwär­ts ihre Abwässer direkt und ungefilter­t in den heiligen Fluss leiten. Wir sind dort, wo man im Ganges noch baden kann. Zumindest, ohne sich Gedanken zu machen, was in diesem Fluss alles sonst noch herumschwi­mmt.

Unterbroch­en wird die Ruhe nur von . . . Affen! „Don’t touch the monkeys“, ist die erste Lektion. Sie wird freundlich-eindringli­ch mitgeteilt und naturgemäß ignoriert, bis man erkennt: Auch Affen können unter mangelnder Impulskont­rolle leiden. Und sind Handgreifl­ichkeiten nicht abgeneigt, steht man ihnen blöd im Weg herum. Also alles wie zu Hause auf dem Wiener Praterster­n. Nur mit dem Unterschie­d: Die Affen sehen das gesamte Gebiet um Rishikesh als ihr Revier. Der Mensch ist nur Gast, die Affen waren zuerst da.

Apropos: „Die Balkontür immer abschließe­n!“, ist einer der besten Tipps, die man dort bekommen kann. „Nicht nur die Balkontür zumachen, sondern von innen versperren“, wird immer wieder freundlich-eindringli­ch gewarnt. Damit kann man vermeiden, dass die Affen die Minibar ausräumen (für sie geht es um Erdnüsse, nicht um Prosecco!) und die Obstschale im Zimmer plündern. Die intelligen­ten Tiere haben nämlich gelernt, wie die Balkontür von außen zu öffnen ist – falls sie nicht versperrt ist. „Das sind keine schönen Szenen“, erklärt ein Kellner, dem kürzlich ein kleines Missgeschi­ck passiert ist. „Der Schlüssel zum Speisesaal“, meint er zerknirsch­t, „ist leider stecken geblieben.“Die Folge: Rund 30 Affen im Inneren, die ein hervorrage­ndes Frühstück genossen und dieses naturgemäß gegen Gäste und Angestellt­e verteidigt haben. „Die hätten wir fast nicht mehr hinausbeko­mmen“, meint der Kellner. Nachsatz: „Die Affen, natürlich.“

Nach einem solchen Erlebnis empfiehlt sich zum Ausgleich eine Yoga-Nidra-Einheit (Tiefenents­pannung) oder ein kurzer Spaziergan­g zum Palast des dortigen Maharadsch­as: Ein wunderschö­nes historisch­es Gebäude. „Ein bis zweimal pro Monat kommt er noch vorbei“, ist dort zu hören. Historisch ist übrigens auch der dortige Billardtis­ch: Er gilt als ältester Billardtis­ch Indiens (siehe Foto oben).

Wobei sich die Zeiten ändern. Maharadsch­a, die hinduistis­chen Fürsten, haben heute nur mehr repräsenta­tiven Charakter und keine operative Regierungs­funktion. Trotzdem darf der dortige Maharadsch­a den historisch­en Palast, der als Außenstell­e des offizielle­n Regierungs­sitzes gilt, weiterhin uneingesch­ränkt nutzen: Er

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