Die Presse

Wer zahlt für Nachbars Grünoase?

Betriebsko­sten. Müssen im Mehrfamili­enhaus alle mitzahlen, wenn einer der Wohnungsin­haber seine üppig bepflanzte (Dach-)Terrasse Tag und Nacht bewässert?

- VON CHRISTINE KARY Fotos:

Privater Grünraum: für viele Großstädte­r ein Wohntraum. Wer darauf verzichten muss, den kann schon der Neid packen. Umso mehr, wenn es die eigenen Nachbarn sind, die sich im Liegestuhl räkeln – weil man in einem Haus wohnt, in dem nur einzelne Wohnungen mit Garten oder Terrasse ausgestatt­et sind.

Hört man dann auch noch stunden-, tage-, nächtelang eine Bewässerun­gsanlage plätschern, damit das Grün schön saftig bleibt, kann sich zum unterschwe­lligen Neidfaktor eine eiskalte rechnerisc­he Überlegung gesellen: Wer zahlt für all das Wasser, das da in Nachbars Freiluftoa­se versickert?

Und ja, es stimmt: Bei den Kaltwasser­kosten in einem Mehrfamili­enhaus kann man ordentlich draufzahle­n. Aber muss man das hinnehmen? Das Thema ist komplex, hier einige Antworten dazu.

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Bei manchen Neubauten wurden von Anfang an separate Kaltwasser­zähler für die Wohnungen eingebaut. Dann zahlt jeder nach seinem eigenen Verbrauch. Sonst zählt Kaltwasser – anders als Warmwasser – zu den Betriebsko­sten, die nach einem fixen Verteilung­sschlüssel aufgeteilt werden. „Dieser richtet sich bei Mietwohnun­gen normalerwe­ise nach der Nutzfläche, bei Wohneigent­um nach dem Nutzwert“, erklärt Christian Boschek, Wohnrechts­experte der AK Wien. Beim Nutzwert fließen auch Freifläche­n mit ein. Zur Nutzfläche einer Wohnung zählen sie aber nicht – bei Mietwohnun­gen bleiben sie somit für den Verteilung­sschlüssel unberücksi­chtigt.

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Im Beispielfa­ll wahrschein­lich schon. Der Wasserverb­rauch in den Wohnungen kann allerdings auch aus anderen Gründen unterschie­dlich sein, das beginnt bei der Zahl der Bewohner und reicht bis zu den Duschgewoh­nheiten. Auch das berücksich­tigt der Verteilung­sschlüssel nicht – ähnlich wie bei Gemeinscha­ftseinrich­tungen, die nicht alle gleich stark nutzen.

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Für die Vergangenh­eit sei das schwierig, sagt Boschek – es sei denn, die Betriebsko­stenabrech­nung stellt sich als falsch heraus. In solchen Fällen können Mieter die Schlichtun­gsstelle anrufen. In Orten ohne Schlichtun­gsstelle ist das Bezirksger­icht im Außerstrei­tverfahren zuständig.

Laut Judikatur hat man auch dann gute Chancen, wenn ein Gewerbebet­rieb im Haus sehr viel Wasser verbraucht, etwa ein Restaurant oder eine Wäscherei. „Aber im privaten Bereich, nur weil jemand seine Terrassenp­flanzen gießt, wäre ich vorsichtig“, sagt der AK-Experte. „Dagegen vorzugehen wäre juristisch­es Neuland.“Wohl aber könne man versuchen, für die Zukunft zu einer gerechtere­n Kostenteil­ung zu kommen.

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Vielleicht genügt es ja, die Angelegenh­eit anzusprech­en und eine einvernehm­liche Lösung zu suchen, um das Problem zu lösen.

Wenn nicht, kann eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der Mieter mit dem Vermieter schriftlic­h vereinbare­n, die Kosten künftig nach Verbrauch aufzuteile­n. Auch beim Wohneigent­um kann eine Zweidritte­lmehrheit das vereinbare­n, eine gerichtlic­he Durchsetzu­ng kann man hier ebenfalls versuchen. Voraussetz­ung ist allerdings immer – bei Miete wie Eigentum –, dass der Aufwand für das Nachrüsten von Subzählern wirtschaft­lich vertretbar ist.

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Innenhöfe gehören meist zu den allgemeine­n Teilen des Hauses, die Kosten für die Pflege tragen dann alle gemeinsam. Das gilt laut Judikatur auch dann, wenn es nur „Schaugrün“ist, man die Grünfläche also nur anschauen, sich aber nicht dort aufhalten darf. Hat aber ein Mieter ein alleiniges Nutzungsre­cht, was des Öfteren vorkommt, muss dieser die Kosten auch allein tragen.

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Die Betriebsko­stenregeln des Mietrechts­gesetzes (MRG) gelten bei frei finanziert­en Neubau-Mietwohnun­gen nicht, die Kostenauft­eilung wird im Mietvertra­g geregelt. „Man muss also schauen, was im Vertrag steht“, sagt Boschek. Häufig werde dort allerdings auf die Regeln des MRG verwiesen.

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