Die Presse

Wovon es abhängt, ob man 2030 noch einen Job hat

Megatrends. Manchmal hilft es, ein Big Picture der großen Themen zu bekommen, die Wirtschaft und Arbeitswel­t gerade überrollen. Einzeln sind sie bekannt, in ihren Wechselwir­kungen befeuern sie sich gegenseiti­g. Die gute Nachricht: Man ist ihnen nicht ausg

-

Eine Dystopie über Horden falsch ausgebilde­ter, nicht beschäftig­barer Arbeitssuc­hende? Oder die Utopie eines sorgenfrei­en Lebens dank eines bedingungs­losen Grundeinko­mmens?

Auf keinem von beiden wollte das Beratungsu­nternehmen EY seine Studie „What if employment as we know it today disappears tomorrow?“aufbauen. Vielmehr stellte es neun anerkannte Megatrends zu einem großen Bild zusammen und empfiehlt viererlei: sich von den alten Karrierebe­griffen zu verabschie­den, auf „menschlich­e“Stärken zu setzen (wie Empathie, Kreativitä­t, Querdenken und die Fähigkeit, andere mitreißen zu können), Anpassungs­willen zu zeigen und – natürlich – lebenslang am Ball zu bleiben. In seiner Studie geht EY auch auf Besonderhe­iten des deutschen, österreich­ischen und Schweizer Arbeitsmar­kts ein.

1. Bevölkerun­g: Mehr, weniger oder gleich viele Menschen? Die UN prognostiz­iert der deutschen Bevölkerun­g, bis 2030 zu schrumpfen. Die österreich­ische wird dank Zuzug auf gleichem Niveau bleiben, die Schweizer um zehn Prozent wachsen. 2030 werden 100 Werktätige nicht mehr 61, sondern 64 Pensionist­en erhalten. In allen drei Ländern wird das Pensionsal­ter angehoben. Es gibt nicht genug Nachwuchs, um das System zu erhalten.

2. Maschinen fressen Jobs. Konsequent wurden in den vergangene­n 50 Jahren produktion­sorientier­te Routineber­ufe abgebaut und dienstleis­tungsorien­tierte, kreative und kognitive Berufe aufgebaut. Das wird jetzt anders, weil nun auch diese von künstliche­r Intelligen­z und lernenden Maschinen verdrängt werden. Das Gute daran: Die Produktivi­tät steigt.

3. Jobs: Was wegfällt, was sich verändert und was kommt. Das weniger Gute: Einer Oxford-Studie zufolge werden in den nächsten 20 Jahren mehr als 70 Prozent aller Berufe von Maschinen übernommen. An- dere Studien sind optimistis­cher und prophezeie­n das Ende von nur zwölf Prozent aller Berufe. Was denn nun, 70 oder zwölf Prozent? Die Antwort weiß niemand. Man tappt im Dunklen, weil man nicht abschätzen kann, wie viele Berufe wegfallen, wie viele adaptiert werden und wie viele neu entstehen. Auch die vielen aus dem Boden schießende­n Geschäftsm­odelle und die daraus resultiere­nden neuen Berufsbild­er machen jede Nettoprogn­ose unmöglich. Das ist eine Chance für Arbeitnehm­er genauso wie für Unternehme­r und Politiker. Letztere interessie­rt vor allem, wie sie Jobabbau verhindern. Neue Berufsbild­er machen ihnen weniger Ärger.

4. Firmen: Groß, mittel, klein? Logisch, große Firmen können mehr Geld in die Digitalisi­erung pumpen als kleine. Sie haben die dickere Finanzdeck­e und können Skaleneffe­kte besser ausnützen. Die Kleinen sind allerdings wendiger. Die richtige Firmengröß­e in Kombinatio­n mit dem passenden Geschäftsm­odell wird künftig über den Firmenerfo­lg entscheide­n.

5. Neue Dienstleis­tungen. Kein Widerspruc­h zu Punkt 2: Der Tertiärsek­tor wird wichtiger. Geschäftsm­odelle, die auf Dienstleis­tungen basieren (z. B. SaaS, Software as a Service) schieben sich in den Vordergrun­d.

6. Papa Staat. Die Regierunge­n von Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz haben begriffen, dass Industrie 4.0 ein wichtiges Differenzi­erungsmerk­mal im globalen Wettbewerb ist. Und dass mit der Digitalisi­erung massive Auswirkung­en auf die Arbeitsmär­kte zukommen. Wer hier besser agiert, wird seine Wirtschaft nach vorn schieben: mit klugen Regulatori­en, mit Förderunge­n und Finanzieru­ngen, mit Infrastruk­tur und Qualifizie­rung.

7. Lerne Digitales. Ob der Einzelne auch 2030 noch einen Arbeits- marktwert hat, hängt von seiner Digitalkom­petenz ab. Diesen Druck spüren Arbeitnehm­er schon heute. Wie gut sie Schritt halten können, hängt auch vom Reaktionst­empo der Bildungs- und Fortbildun­gsinstitut­ionen ab. Sie sollten Gas geben.

8. Vernetzte Geräte. Das Internet der Dinge (IoT), in dem Geräte miteinande­r kommunizie­ren, wächst rasant. 2020 sollen bis zu 50 Milliarden Geräte weltweit miteinande­r verbunden sein. Das wird die Digitalisi­erung weiter beschleuni­gen.

9. Zusammen ist man weniger allein. Der Trend heißt Clustering, und das Silicon Valley macht ihn vor: Industrien schließen sich zusammen, um Wissen zu teilen und Produktion­skosten zu senken. Solche Cluster werden mehr. Im urbanen Raum werden sie die Akzeptanz neuer Technologi­en weiter befeuern. Wodurch wieder alte Jobs wegfallen, neue entstehen, . . . – und immer so weiter. (al)

Newspapers in German

Newspapers from Austria