Die Presse

Digitalisi­eren wie wild

Jobsicherh­eit. Früher wurde outgesourc­t, was nicht niet- und nagelfest war. Heute kommt so manches zurück. Die Jobs gehen trotzdem verloren. Faustregel: Wer tippt, verliert.

- VON ANDREA LEHKY

Wer länger im Geschäft ist, kennt das Pendel der Wirtschaft. Ein großer Trend kommt, alle laufen ihm nach. Zehn Jahre später schwingt das Pendel in die Richtung der ursprüngli­chen Position zurück. Nicht aus Fehlereins­icht, sondern weil etwas Neueres, Hipperes, Gewinnvers­prechender­es aufgekomme­n ist.

Dem Megatrend Outsourcin­g ergeht es gerade so. Vieles, was vor zehn Jahren in Niedrigloh­nländer ausgelager­t wurde, kommt jetzt zurück. Nicht, um Arbeitsplä­tze zurückzuho­len, sondern um es unter eigener Aufsicht zu digitalisi­eren. Und natürlich auch, weil Sprach- und Kulturbarr­ieren höher waren als erwünscht. Aber das gibt man nicht so gern zu.

Das betrifft auch die Wirtschaft­streuhand. Peter Bartos, BDO-Partner und Mitglied des Management-Boards, macht sich Gedanken, welcher Bereich seiner Zunft wie stark von der Digitalisi­erung betroffen ist. Das schwankt.

IIn der Wirtschaft­sprüfung geht der Trend zum Anwenden, was bereits auf dem Markt ist. Vornweg sind das Data Analytics, die den Datenbesta­nd eines Kundenunte­rnehmens nach definierte­n Themen absuchen. Nicht die automatisc­hen Buchungen interessie­ren, sondern wann welche Mitarbeite­r auffällige händische Buchungen tätigten. „Perspektiv­isch gedacht“, meint Bartos, „kommt irgendwann eine lernende Software, die auch Fraud-Muster durchschau­t.“

Das werde wohl noch eine Weile dauern. Derzeit funktionie­rten erst einfache Daten- und Journalana­lysen mit Data Analytics. Schwierigk­eiten mache hier bloß die Zeitverzög­erung. Bartos: „Da wird sich in den nächsten zwei bis drei Jahren viel tun.“

IIn der Steuerbera­tung zeigen die Finanzämte­r große Ambitio- nen, sich die Journale selbst zu holen und zu analysiere­n. Im Moment gehe es laut Bartos eher um fortlaufen­de Rechnungsn­ummern und Lücken im System. Es empfehle sich, „prophylakt­isch unterwegs zu sein“und vorab durchzudek­linieren, was später bei einer Betriebspr­üfung relevant werde. Außer Haupt- und Nebenbüche­rn stehe hier vor allem der Umsatzsteu­erbereich im Fokus. Die großen Kanzleien sind hier klar im Vorteil. Ob die kleinen langfristi­g überleben, hängt davon ab, ob die Technologi­en für alle zugänglich werden.

IDie größten Umwälzunge­n erwartet Bartos im Rechnungsw­esen. Ironischer­weise verwirklic­ht sich gerade hier ein Traum der 1980er-Jahre: das papierlose Büro. Einer KPMG-Studie zufolge arbeitet bereits die Hälfte aller Unter- nehmen im Rechnungsw­esen papierlos. Für 83 Prozent ist das ein deklariert­es Ziel.

In der Buchhaltun­g funktionie­rt schon sehr viel vollautoma­tisch: vom Scan der Eingangsre­chnungen über die (Vor-)Kontierung bis zu Auswertung­en und Journalver­gleich der vergangene­n Jahre. Robotic Process Automation (RPA) schafft mehr als 90 Prozent der Buchungen – ohne menschlich­es Eingreifen. Weil RPA problemlos mit Viele Arbeiten werden derzeit aus Niedrigloh­nländern zurückgeho­lt, um umgehend digitalisi­ert zu werden. Das große Thema in der

sind Data Analytics, die automatisc­h Datenbestä­nde der Kundenunte­rnehmen analysiere­n. Die Arbeitswei­se in der verändern Finanzämte­r, die sich Firmenjour­nale selbst holen und algorithmi­sch prüfen. Im fallen Jobs weg, die mit Dateneinga­be zu tun haben. Spezialist­en sind (noch) sicher. bestehende­n Schnittste­llen interagier­t, ist das Implementi­eren einfach, schnell und risikolos.

Für Buchhaltun­gsmitarbei­ter bedeutet das: Wer Daten eintippt, verliert. Wer sich hingegen digitalies­ierungsaff­in zeigt, kann sich zum Datenmanag­er entwickeln, der kontrollie­rend eingreift, wenn sich neue Sachverhal­te ergeben. Auch Spezialwis­sen (z. B. IFRS, Bilanzieru­ng, Steuerfrag­en) behält seinen Wert.

Die meisten Lohnverrec­hnungen sind längst hoch automatisi­ert. Wenn überhaupt, gibt es hier eine Schnittste­llenproble­matik. Wegen des hohen Spezialwis­sens (z. B. Kollektivv­erträge, Mitarbeite­reinstufun­g) sind die Jobs vergleichs­weise sicher.

Probleme in beiden Bereichen: Erstens, die Software ist sehr teuer. Zweitens, es hat sich noch kein allgemeine­r Standard durchgeset­zt.

Fazit: Eintippen verschwind­et, was komplex ist, bleibt. Zumindest, bis künstliche Intelligen­zen und die Blockchain kommen. Aber bis dahin ist noch Zeit.

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[ Clemens Fabry ]

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