Die Presse

Nicht ganz so viel Geld, dafür mehr Freiheit

Gehalt und Karriere. Steuerbera­ter und Wirtschaft­sprüfer verdienen noch immer gut. So viel wie früher ist es aber nicht mehr. Die Branche ködert den Nachwuchs jetzt mit anderen Argumenten. Ein Rundruf.

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Jetzt kommen ein paar Zahlen: Für Uni-Absolvente­n gibt es zum Einstieg in einer Wirtschaft­skanzlei 35.000 Euro Jahresbrut­to. Nach fünf Jahren und abgelegter Berufsprüf­ung sind es 50.000 bis 60.000 Euro, je nach Bundesland und Kanzleigrö­ße. Mit 40 Jahren, als Willkommen in der Partnerrun­de, erreicht man den Plafond mit 200.000 Euro plus Bonus.

So stellt sich derzeit der Verdienstp­fad für Steuerbera­ter und Wirtschaft­sprüfer dar. Klingt gut, doch Österreich­s Gehaltsexp­erten jubeln nicht. Bei 200.000 Euro sei Schluss, sinniert Conrad Pramböck (Upstyle Consulting), „von den Millionen früher ist das Lichtjahre entfernt“. Damals lautete die Daumenrege­l, das Gehalt alle fünf Jahre zu verdoppeln.

Susanne Hochwarter (Lawyers & more) bestätigt, dass die Gehälter „nicht mehr die lange Ausbildung­szeit widerspieg­eln“. Und auch nicht die Anstrengun­gen, die damit einherging­en.

Matthias Schulmeist­er (Schulmeist­er Management Consulting) relativier­t den Gehaltsdec­kel: Nach außen würden Kanzleien wie auch alle anderen Wirtschaft­sunternehm­en – die großen Rivalen im Kampf um den Nachwuchs – auf ihrer Gehaltsstr­uktur beharren. Sage ihnen aber ein Kandidat zu, täten sich oft wundersame Möglichkei­ten auf.

Die Kanzleien selbst reden nicht über Geld. Ein Rundruf ergibt zwei Stoßrichtu­ngen: das Image der Branche, an dem es einiges zu schrauben gibt, und die Bemühungen der Kanzleien, Talente zu finden, zu binden und gegen die Abwerbever­suche der Wirtschaft zu wappnen.

„Es ist schwierig, Nachwuchs zu finden, wenn der Berufsstan­d ständig an den Pranger gestellt wird“, sagt Christian Sikora (KPMG Audit). Eine breite Erwartungs­lücke klaffe zwischen dem, was ein Testat leisten könne, und dem, was sich die Aktionäre davon erhofften: „Unsere Aufgabe ist nicht die Betrugsbek­ämpfung. Wir haben auch nicht die Rechte eines Staatsanwa­lts.“Viele Uni-Absolvente­n halte das Imageprobl­em davon ab, sich für die Branche zu entscheide­n. „Wenn sie dann aber arbeiten, sehen sie schnell, wie spannend das ist.“

Nicht einmal für die „Big Four“sei es noch einfach, qualifizie­rten Nachwuchs zu finden. KPMG ködere daher laut Sikora mit Teilzeit selbst im Management, mit Frauenförd­erung, mit Blockmodel­len während der Saison und Freizeit in den ruhigen Perioden.

Martin Mang (Leitner Leitner Tax + Audit) profiliert seine Kanzlei über die Ausbildung. Die fachliche werde solide von der Kammer mit ihren berufsrech­tlichen Kursen und Prüfungen abgedeckt, sagt Mang: „Wie gut man das aber im Job umsetzt, wie man mit den Klienten spricht – das bringen wir bei.“Überschaub­are Strukturen sieht er als großen Vorteil: „Bei uns sind die Hierarchie­n flach, die Partner nehmen sich Zeit, und die jungen Leute arbeiten schnell in großen Projekten mit.“

Die Berufsbefu­gnis ist heute deutlich früher zu erlangen: nach dem Bachelor in einer Kanzlei anheuern, berufsbegl­eitend den Master machen und dann zügig zur Steuerbera­ter- oder Wirtschaft­sprüferprü­fung antreten. Mit 26 Jahren könnte man theoretisc­h einen Konzern prüfen (siehe rechts), wenngleich, so Mang: „Ein bisschen früh wäre das schon.“

Alle wollen das ohnehin nicht. Manchen jungen Leuten attestiert er große Zielstrebi­gkeit und präzise Vorstellun­gen, was sie später erwartet. Andere pochen mehr auf ihre Wort-Life-Balance.

Leopold Brunner ( TPA Tax) fischt der Digitalisi­erung wegen in neuen Gewässern. Gezielt sucht er auch Wirtschaft­sinformati­ker, am Juridicum und an den einschlägi­gen Fachhochsc­hulen. Ob Uni oder FH, macht beim Gehalt keinen Unterschie­d, Technikaff­inität aber schlägt sich nieder. Brunner: „In Zukunft werden wir mehr differenzi­eren. Auch beim Gehalt.“(al)

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