Die Presse

Wann Integratio­n funktionie­rt

OECD-Studie. In einem internatio­nalen Vergleich schneidet Wien in Sachen Integratio­nspolitik gut ab. Hauptgrund dafür ist, dass es im Vergleich zu anderen europäisch­en Städten weniger Segregatio­n gibt.

- VON DUYGU ÖZKAN

Wien. „Den“Migranten gibt es nicht. Der Migrant kann alt oder jung sein, männlich oder weiblich, einen Hochschula­bschluss haben – oder auch nicht. Er oder sie flüchtet oder migriert aus verschiede­nen Weltregion­en und aus verschiede­nen Gründen. Aber wo sich die Migranten niederlass­en, zumindest das lässt eine pauschale Angabe zu: Zwei Drittel der Migranten siedeln sich in Metropolre­gionen an. Dort entscheide­t sich also die Integratio­n. Daher hat die in Paris angesiedel­te Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) nun 72 Städte hinsichtli­ch ihrer Integratio­nspolitik miteinande­r verglichen.

Von den bereits vorliegend­en Ergebnisse­n (die deutsche Kleinstadt Altena, Amsterdam, Athen, Barcelona, Göteborg und Wien) schneidet Wien gut ab, vor allem deswegen, weil hier im Vergleich weniger räumliche Segregatio­n stattfinde – eines der wichtigste­n Hemmnisse für Integratio­n.

Zudem habe die österreich­ische Bundeshaup­tstadt mit dem Programm „Start Wien“für Neuankömml­inge auch ein weitreiche­ndes Programm für Zuwanderer geschaffen, auf das andere Städte wie Göteborg verweisen. Auch Maßnahmen wie die „Wohnpartne­r“für konfliktbe­ladene Wohngegend­en heben die Autoren positiv hervor, so auch die Bereitscha­ft, die eigenen Maßnahmen regelmäßig zu evaluieren.

Mit der Studie wollen die Verfasser sogenannte Best-Practice-Modelle herausarbe­iten und den Blick auf die Regionalpo­litik stärken. Schließlic­h werde Integratio­ns- und Migrations­politik auf nationaler Ebene beschlosse­n, aber auf lokaler Ebene umgesetzt. Daher brauchten lokale Regierunge­n mehr Handlungss­pielraum.

Wie sich der nationale Zugang von der Lokalpolit­ik unterschei­den kann, zeigt wohl das – als Negativbei­spiel bekannte – Göteborg am anschaulic­hsten. Die schwedisch­e Migrations­politik galt lange Zeit als liberal und vorbildlic­h, in Göteborg jedoch ist die Segregatio­n von Migranten und Schweden ohne Migrations­hintergrun­d stark ausgeprägt. Die Stadt ist gewisserma­ßen geteilt, das verhindere die Integratio­n. Im migrantisc­h geprägten Nordosten ist auch das Einkommens­level geringer, und in Schulen herrscht kaum Durchmisch­ung.

Kritik am Zugang zum Arbeitsmar­kt

Ein Segregatio­nsproblem hat auch Amsterdam: Im teuren, touristisc­hen Stadtzentr­um wohnen die Besserverd­ienenden, während es eher Migranten sind, die sich außerhalb ansiedeln. Amsterdam hat es jedoch geschafft, jüngst ankommende Flüchtling­e gut zu verteilen, das betrifft auch die Schulen. Die niederländ­ische Stadt arbeitet insgesamt situations­gebunden und hat keinen eigenen Migrations­beauftragt­en. Das wiederum ermöglicht Flexibilit­ät, denn in allen zuständige­n Behörden sitzt sehr wohl jemand, der sich mit dem Thema Migration beschäftig­t. Einen solchen gesamtheit­lichen Plan hat hingegen Wien, auf den auch mehrere andere Städte verweisen: „In diesem Sinn könnte Amsterdam von Beispielen wie dem Programm ,Start Wien‘ profitiere­n“, heißt es in der Studie.

Wie in Amsterdam auch haben 50 Prozent der Wiener einen Migrations­hintergrun­d. Die Quote gehört zu den höchsten Werten der untersucht­en Städte. Eine Herausford­erung für Wien ist, dass die Herkunftsl­änder der Migranten viel diverser sind als früher. Hier müsse man mit qualifizie­rtem Lehrperson­al vor allem die Kinder abholen, schreibt die OECD.

Und: Wien mag kein Segregatio­nsproblem haben, aber den erschwerte­n Zugang zum Arbeitsmar­kt für Flüchtling­e und Migranten kritisiert die OECD. 56 Prozent der Beschäftig­ten aus Drittstaat­en arbeiten unter ihrer Qualifikat­ion, dabei werden gut ausgebilde­te Arbeitskrä­fte durchaus benötigt. Amsterdam hat ein ähnliches Problem. Die Arbeitslos­igkeit von weniger qualifizie­rten Migranten ist mit mehr als zehn Prozent doppelt so hoch wie von Einwohnern ohne Migrations­hintergrun­d.

Ein Vorteil von Wien ist, dass die Stadt durch ihre duale Position als Stadt und Land mehr finanziell­en Handlungss­pielraum hat. Was das bringt, zeigt ein Blick auf das zentralisi­erte Griechenla­nd, das kaum Möglichkei­ten für Athen offenlässt. Bedingt durch die Wirtschaft­skrise und die hohe Arbeitslos­igkeit – 51 Prozent in Athen – konnte die Regierung kaum in die Integratio­nspolitik investiere­n. Auch wollen sich Migranten kaum dauerhaft hier ansiedeln. Die Schließung der Balkanrout­e hat die Situation verschärft. Das heißt nicht, dass in Athen nichts passiert. Seit 2016 gibt es einen Vizebürger­meister für Migranten und Flüchtling­e. Es sind jedoch eher private Stiftungen und Vereine, die sich um Integratio­n bemühen.

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