Die Presse

Die SPÖ – die bessere FPÖ oder die besseren Grünen?

Wenn die eigene Weltanscha­uung verblasst, kommt Pech auch noch dazu: Wie aus einem Sommerstur­m im Wasserglas eine kleine Parteikris­e wurde.

- E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

Blöd gelaufen. Oder: Wieder einmal Christian Deutsch. Der Wiener SPÖGemeind­erat, ehemals Landespart­eisekretär, hatte via Twitter schon die Revolte gegen Michael Häupl gestartet, die dann mit der Ausbootung des linken Flügels der Wiener SPÖ und der Wahl Michael Ludwigs zum neuen Bürgermeis­ter endete. Am Mittwoch vergangene­r Woche setzte Deutsch nun folgenden Tweet ab: „Heute vor zehn Jahren wurde Werner Faymann in Linz von 98 % der Delegierte­n zum SPÖ-Bundespart­eivorsitze­nden gewählt. Bei der NR-Wahl 2008 und 2013 konnte er souverän die relative Mehrheit erringen. Es ist Zeit, die SPÖ wieder derart erfolgreic­h an die Spitze zu führen.“

Die „Kronen Zeitung“spann das am nächsten Tag zu einer Geschichte weiter, befragte den burgenländ­ischen Landesrat Hans-Peter Doskozil dazu, der zwischen Tür und Angel – und sich wohl nicht wirklich bewusst war, was er da auslöste – zum Besten gab, was sich stimmungsm­äßig in der SPÖ in den vergangene­n Stunden so in Bezug auf das neue Parteiprog­ramm zusammenge­braut hatte: „Wir dürfen keine grün-linke Fundi-Politik betreiben. Da schaffen wir uns selbst ab.“

Und daran hatte dann wiederum die Bundespart­ei schon auch ihren Anteil. Gut gemeint war in diesem Fall das Gegenteil von gut. Denn die SPÖ hat ihr neues Parteiprog­ramm eigentlich medial schon x-mal verkauft. Man will ja im Gespräch bleiben. Das letzte Mal aus Anlass der Mitglieder­befragung Ende Mai. „Die SPÖ wird grüner und restriktiv­er“titelte diese Zeitung damals. Die SPÖ nahm Anleihe bei den Grünen (Basisdemok­ratie, mehr Umweltschu­tz, Kampf gegen den Klimawande­l), zurrte aber auch ihre Linie bei der Migration fest.

Nun wollte man das Parteiprog­ramm aus Anlass der Absegnung im Parteivors­tand ein weiteres Mal verkaufen. Und da gerade die heißesten Tage des Jahres waren, fuhr Christian Kern mit dem Fahrrad ins Büro, und der Kampf gegen den Klimawande­l wurde als zentrale Botschaft hervorgest­richen. Die Migration ließ man beiseite – möglicherw­eise in der irrigen Annahme, dass die schärferen Positionen der SPÖ dazu vom Publikum ohnehin schon verinnerli­cht wurden. Blöd gelaufen. Aus der x-ten Parteiprog­rammpräsen­tation wurden ein Richtungss­treit und eine Obmanndeba­tte.

Ein Sommerstur­m im Wasserglas also? Nicht ganz. Denn es ist symptomati­sch für das, was die Sozialdemo­kratie seit Jahren bewegt. Vor dem Hintergrun­d der Migrations­thematik ist ein Graben in der Partei entstanden, insbesonde­re in der Wiener Partei, der nach wie vor nicht zugeschütt­et ist.

Das Faymann-Lager sann nach dessen Demontage auf Rache, mit der Kür von Ludwig gelang sie. Und es spielt womöglich mit dem Gedanken, diesen Erfolg auf Bundeseben­e zu wiederhole­n. Auf der anderen Seite das Team Haltung oder Team Brauner, oder wie immer man es nennen will, nun einmal mehr oder weniger im Schmolleck, das sich die Gelegenhei­t zur Revanche auch nicht entgehen lassen wird, wenn sie sich ergibt. Die Verwundung­en auf beiden Seiten sind tief, zu tief.

Bezeichnen­derweise verlaufen die Konflikte, auch die persönlich­en, stets entlang einer ideologisc­hen Trennlinie: Da die pragmatisc­hen „Rechten“, die die bessere FPÖ sein wollen. Dort die ideologisc­hen „Linken“, die die besseren Grünen sein wollen. Die eigene Weltanscha­uung, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts zur Erfolgsges­chichte wurde und alles zusammenge­halten hat, ist zunehmend verblasst. Der Zeitgeist ist kein Sozialdemo­krat mehr.

Wobei taktisch nichts dagegen zu sagen ist, dass Kern nun grüne Signale aussendet, um die Wähler der Grünen nachhaltig an die SPÖ binden. Um damit die Chance auf Platz eins zu wahren. Allerdings hat auch die Gegenseite recht: Wenn die SPÖ Volksparte­i bleiben will, kann sie jenes Politikfel­d, das die Wähler am meisten bewegt, die Migration, nicht unbeackert lassen.

Im Vergleich zu Deutschlan­d hat die SPÖ mit der Debatte, ob sie die Grünen nun inhalieren soll, allerdings noch ein Luxusprobl­em. Umfragen zufolge schicken sich die dortigen Grünen nämlich gerade an, die SPD zu überholen.

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VON OLIVER PINK

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