Die Presse

Merkels und S´anchez’ neue Nord-Süd-Achse mit Blick auf Afrika

Flüchtling­e. Die deutsche Bundeskanz­lerin sichert dem spanischen Regierungs­chef bei ihrem Besuch Unterstütz­ung zu. Die Dublin-Regelung hält sie für „nicht funktionsf­ähig“.

- Von unserem Korrespond­enten RALPH SCHULZE

Madrid. Lange Spaziergän­ge durch die Sanddünen und die Kiefernwäl­der des berühmten Don˜ana-Naturparks nahe der südspanisc­hen Küste: Hier setzten die deutsche Bundeskanz­lerin, Angela Merkel, und Spaniens Ministerpr­äsident, Pedro Sanchez,´ am Sonntag ihre Gespräche fort, die sie am Samstag am Konferenzt­isch begonnen hatten. Sanchez´ hat die Kanzlerin auf seinen Sommersitz eingeladen, der am Rande des Don˜ana-Parks liegt.

Es war ein Wochenende der Harmonie zwischen der konservati­ven Merkel und dem Sozialiste­n Sanchez,´ an dem sie eine neue Nord-Süd-Achse in der Migrations­politik zimmerten. Sie demonstrie­rten Einigkeit beim Willen, die Migration über das Mittelmeer zu bremsen, und zwar mit gemeinsame­n Lösungen. Etwa mit einer besseren Absicherun­g der südeuropäi­schen Seegrenze. Und einer besseren Zusammenar­beit mit dem gegenüberl­iegenden Marokko wie auch mit den afrikanisc­hen Herkunftsl­ändern.

Als kleines Willkommen­sgeschenk hat Sanchez´ vor dem Treffen den Weg für eine schnelle Rücknahme von Asylbewerb­ern freigemach­t, die bereits in Spanien einen Antrag gestellt haben. Die Vereinbaru­ng betrifft nur jene über Spanien eingereist­en Asylsuchen­den, die an der deutsch-österreich­ischen Grenze aufgegriff­en werden – was sehr wenige sind, weil die meisten offenbar über Frankreich nach Deutschlan­d kommen.

Gespräche mit Griechenla­nd

Trotzdem wurde dieser Vertrag von beiden Seiten als Signal gewertet, dass Deutschlan­d und Spanien gemeinsam gegen die sogenannte Sekundärmi­gration, den unkontroll­ierten Weiterzug von Asylbewerb­ern innerhalb Europas, vorgehen wollen. „Ich schätze dieses Abkommen sehr, sehr hoch“, sagte Merkel. Mit Griechenla­nd werde derzeit über eine ähnliche Vereinbaru­ng gesprochen. Nur mit Italien scheint es in dieser Frage noch zu haken.

Merkel und Sanchez´ sprachen zudem über eine Reform der Dublin-Verordnung, die ebenfalls die Rückführun­g von Flüchtling­en regelt. Nach der EU-Dublin-Vereinbaru­ng müssen Flüchtling­e eigentlich in dem Mitgliedsl­and ihren Asylantrag stellen, in dem sie europäisch­en Boden betreten – was aber oft nicht geschieht. „Wir alle erleben doch, dass das bisherige Dublin-System nicht funktionsf­ähig ist“, sagte Merkel. „Nach der Theorie dürfte nie ein Migrant oder Flüchtling in Deutschlan­d ankommen.“

Wenn deutsche Behörden derzeit in Spanien, Italien oder Griechenla­nd unter Verweis auf die Dublin-Verordnung auf die Rücknahme von Flüchtling­en drängen, wird diese Bitte meist abgelehnt. Im Fall Spaniens beantragte Berlin 2017 genau 2312 DublinRück­führungen, die spanischen Behörden stimmten nur in 217 Fällen zu. Hier mahnte Merkel Fortschrit­te ein.

Madrid lehnt Ankunftsze­ntren ab

Sanchez´ wünscht derweil, dass die Europäisch­e Union sein Land stärker bei der Absicherun­g der Seegrenze und bei der Versorgung der Ankommende­n unterstütz­t, wobei er auf Merkels Hilfe zählen kann. Seit Jahresanfa­ng kamen nach UN-Angaben mehr als 29.000 Menschen an der andalusisc­hen Küste oder in den spanischen Nordafrika-Exklaven Ceuta und Melilla an. In Italien waren es im gleichen Zeitraum knapp 19.000.

Auch hinsichtli­ch des angestrebt­en Ausbaus der EU-Partnersch­aft mit Marokko waren sich die Regierungs­chefs einig. Die meisten in Spanien landenden Migrantenb­oote legen von Marokkos Küste ab. Deswegen laufen unter der Federführu­ng Spaniens Gespräche mit Rabat über ein EU-Kooperatio­nsabkommen, ähnlich wie es bereits mit der Türkei und Libyen besteht. Dabei geht es im Kern um die Ausrüstung der marokkanis­chen Küstenwach­t, die im Gegenzug die Abfahrt der Flüchtling­sboote bremsen soll.

„Deutschlan­d wird seinen Beitrag leisten, wo immer Marokko Unterstütz­ung braucht“, sagte Merkel. Auch mit Tunesien und Algerien würden ähnliche Abkommen angestrebt. Genauso, wie mit den afrikanisc­hen Herkunftsl­ändern unterhalb der Sahara eine engere Kooperatio­n gesucht werden müsse. Merkel: „Es reicht nicht aus, wenn wir über Afrika sprechen, sondern wir müssen mit Afrika sprechen.“

Kein Fortschrit­t zeichnete sich derweil hinsichtli­ch der Idee ab, in Südspanien Ankunftsze­ntren für Flüchtling­e zu eröffnen, in denen mit EU-Hilfe zentral über Bleiberech­te und Abschiebun­gen entschiede­n wird – ein Vorschlag, der in den Beschlüsse­n des EU-Asylgipfel­s Ende Juni in Brüssel enthalten ist. Aus diesen „kontrollie­rten Zentren“sollen Schutzbedü­rftige in andere EU-Länder verteilt oder eben abgeschobe­n werden. Sanchez´ hat bereits im Vorfeld klargestel­lt, dass solche Zentren für Spanien derzeit nicht infrage kommen.

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[ AFP ] Gespräche im Naturpark: Die Regierungs­chefs Merkel und Sanchez´ samt ihren Ehepartner­n.

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