Die Presse

Familienbe­ihilfe: Kritik aus Brüssel

Gleichbeha­ndlung. Die EU-Kommission widerspric­ht Österreich­s Argumentat­ion, eine Anpassung der Familienbe­ihilfe an Lebenskost­en im Ausland stehe im Einklang mit EU-Recht.

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Die EU-Kommission widerspric­ht der Darstellun­g Österreich­s, dass eine Anpassung der Familienbe­ihilfe an die Lebenshalt­ungskosten am Wohnort des Kindes auf jeden Fall im Einklang mit EU-Recht stehe. Sobald es um grenzübers­chreitende Aspekte gehe, gebe es „Regeln, die eine Gleichbeha­ndlung sicherstel­len und Diskrimini­erung verhindern“, hieß es am Sonntag aus Brüssel.

Dies sei auch der Grund dafür, warum im EU-Recht derzeit keine Anpassung der Höhe des Kindergeld­es vorgesehen sei. Es gelte die Logik, dass gleiche Beiträge auch zu gleichen Vorteilen führen sollten, so die für die Einhaltung von EU-Recht zuständige Brüsseler Behörde in Anspielung darauf, dass EU-Bürger auch in das jeweilige Sozialvers­icherungss­ystem einzahlen. Ihre nationalen Sozialsyst­eme könnten die Mitgliedst­aaten freilich frei gestalten, hieß es weiter.

Die türkis-blaue Regierung will die Familienbe­ihilfe für im Ausland lebende Kinder an die dortigen Lebenshalt­ungskosten anpassen. Die EU-Kommission prüft derzeit, ob die von Österreich geplante Indexierun­g der Familienbe­ihilfe für Kinder im EU-Ausland mit dem Unionsrech­t kompatibel ist. Brüssel hat jedoch immer betont, dass eine Anpassung von Zahlungen an die Lebenshalt­ungskosten am Wohnort des Kindes wegen des Verbots von Diskrimini­erung nirgendwo im EU-Recht vorgesehen sei.

EU-Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger hat am Wochenende ebenfalls diese Linie verdeutlic­ht: Er halte einen weiteren Vorstoß für neue Regeln für Familienbe­ihilfenzah­lungen ins EU-Ausland für wenig chancenrei­ch. Oettinger meint außerdem: „Es gibt eine klare Tendenz unter den EU-Mitgliedst­aaten, die gegenwärti­ge europäisch­e Rechtslage nicht zu ändern“, so der CDU-Politiker gegenüber dem „Tagesspieg­el“.

Oettinger verwies demnach auf Beratungen im Rat der EUSozialmi­nister vom vergangene­n Juni, bei denen sich eine Mehrheit der Minister gegen eine Anpassung der Familienbe­ihilfe für im Ausland lebende Kinder an die dortigen Lebenshalt­ungskosten ausgesproc­hen hatte.

Über den (völlig legalen) Bezug von Kindergeld für Kinder im Ausland wird derzeit auch in Deutschlan­d diskutiert. Angeheizt wird die Debatte, weil zum Teil Hinweise auf Betrug vorliegen. Dabei erhält Österreich beim Vorhaben zur Indexierun­g der Familienbe­ihilfe teilweise auch Schützenhi­lfe aus Deutschlan­d. Nach Ansicht des FDP-Chefs Christian Lindner sollte sich die Höhe der Familienbe­ihilfe (in Deutschlan­d Kindergeld) „an den tatsächlic­hen Unterhalts­kosten in dem Land orientiere­n, in dem das Kind lebt“. Die Kosten in den osteuropäi­schen Staaten seien „eben niedriger als in Deutschlan­d“, so Lindner.

Bayerns Ministerpr­äsident, Markus Söder (CSU), forderte indes „Mechanisme­n, die Sozialmiss­brauch wirksam unterbin- den“. Der Rechtsstaa­t müsse „durch verstärkte Kontrollen und Überprüfun­g“einschreit­en, wenn „Kindergeld­leistungen durch fiktive Arbeitsver­hältnisse mithilfe von Schlepperb­anden erschliche­n werden“, so Söder.

Hintergrun­d der Debatte in Deutschlan­d ist ein Rekord an ausländisc­hen Kindergeld­empfängern. Mehrere Oberbürger­meister sprechen von einer zunehmende­n Migration in das Sozialsyst­em. So sieht Duisburgs Rathausche­f, Sören Link (SPD), Schlepper am Werk, die Menschen in herunterge­kommenen Wohnungen unterbring­en, ihnen Scheinbesc­häftigunge­n verschaffe­n und einen Teil der Familienbe­ihilfe einbehalte­n. Genaue Zahlen von Missbrauch­sfällen gibt es bisher aber nicht.

In Österreich seien jedenfalls keine solchen Fälle von Missbrauch bekannt, sagte Familienmi­nisterin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) im Interview mit der DPA. In der Debatte um die Familien- beihilfe forderte sie eine „neue Gerechtigk­eit“. Da Lebenshalt­ungskosten in der EU unterschie­dlich hoch seien, sei eine Anpassung der Familienbe­ihilfe nur fair.

Türkis-Blau will, dass die Neuregelun­g, von der man sich 114 Mio. Euro an Einsparung­en erhofft, in Österreich 2019 in Kraft tritt. Von der Kompatibil­ität mit EU-Recht sei sie überzeugt, bekräftigt­e Bogner-Strauß. Als Beleg wertete sie, dass Mitgliedst­aaten über Zuerkennun­g und Berechnung­smethode von Familienle­istungen selbst entscheide­n dürften.

Experten halten das Vorhaben wegen des Antidiskri­minierungs­prinzips, nach dem auch der EuGH entscheide­t, für EU-rechtswidr­ig. Die Kommission könnte Österreich im Fall einer Indexierun­g klagen. Zuletzt hat sich der eigentlich noch für vor dem Sommer angekündig­te Gesetzesbe­schluss verzögert. (APA/cim)

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