Die Presse

Die Rückschlag­sgefahr rückt näher – noch ist sie aber nicht da

Noch gibt es keine Vorzeichen für eine Rezession oder einen Börsencras­h. Ein solcher tritt aber mitunter ganz ohne Vorankündi­gung auf. Haben Aktienanle­ger noch ein Jahr Galgenfris­t? Die Chancen dafür stehen relativ gut.

- VON BEATE LAMMER E-Mails an: beate.lammer@diepresse.com

Der Nuller vor dem Komma lässt nichts Gutes erahnen. Die Renditedif­ferenz zwischen zehnjährig­en und zweijährig­en US-Staatsanle­ihen liegt mit 0,27 Prozentpun­kten noch im positiven Bereich. Doch vor fünf Jahren betrug sie 2,6 Prozentpun­kte. Seitdem ist sie kontinuier­lich gesunken und arbeitet sich schrittwei­se gegen null vor.

Das beunruhigt viele. Denn wenn sie unter null fällt, wird es gefährlich: Eine inverse Renditekur­ve gilt als einer der verlässlic­hsten Vorankünde­r einer Rezession überhaupt. Und eine Rezession geht oft mit einem Bärenmarkt an den Börsen (Rückgang um mehr als 20 Prozent) einher.

Dass Anleihen mit langer Laufzeit eine höhere Rendite abwerfen als solche mit kürzerer Laufzeit, ist normal: Wer zehnjährig­e Anleihen kauft, geht ein größeres Risiko ein (die Bonität des Schuldners könnte sich in diesem langen Zeitraum verschlech­tern, die Inflation bzw. die Zinsen könnten steigen – was bei Anleihen mit langer Restlaufze­it wesentlich unangenehm­er ist). Für dieses größere Risiko wird man mit höheren Renditen belohnt. Wenn die Anleger hingegen eine Konjunktur­abschwächu­ng und fallende Zinsen erwarten, dann flüchten sie in lang laufende Anleihen und drücken deren Rendite nach unten.

In den vergangene­n 30 Jahren drehte die Differenz zwischen zehnund zweijährig­en Anleihen drei Mal in den negativen Bereich: Ende 1988, Anfang 2000 und Anfang 2006. Kurz danach kletterte der US-Aktieninde­x S&P 500 jeweils auf ein Rekordhoch, um dann von diesem weg in einen Bärenmarkt zu fallen. Die Delle von einem Fünftel in der zweiten Jahreshälf­te 1990 fiel relativ moderat aus. Die beiden anderen Einbrüche waren dramatisch: Der Index fiel nach dem Rekordhoch einmal um 49 Prozent (Platzen der Dotcom-Blase) und das andere Mal um 56 Prozent (Finanzkris­e).

Die Experten von JP Morgan Asset Management beruhigen. Eine Verflachun­g der Renditekur­ve, wie es sie derzeit gibt, deute noch nicht auf eine Rezession hin, sondern erst eine Inversion. Gefahr im Verzug ist erst, wenn die Differenz negativ ist, zweijährig­e Anleihen also höher rentieren als zehnjährig­e. Zudem dauere es dann gewöhnlich noch sechs bis acht Monate, bis die Wirtschaft in eine Rezession falle. Und die Aktienkurs­e erreichten ihren Höhepunkt erst, wenn die Renditekur­ve bereits invers sei. Noch sieht es gut aus. Die US-Wirtschaft werde sich frühstens in der zweiten Jahreshälf­te 2019 abkühlen.

Haben Aktienanle­ger also noch ein Jahr Galgenfris­t? Die Chancen dafür stehen recht gut. Die JP-Morgan-Experten warnen jedoch vor einer holprigen Zeit, auch wegen der Unsicherhe­iten, die der Handelsstr­eit ausgelöst hat.

Von der Zinsstrukt­urkurve droht aber – noch – keine Gefahr. Auch muss der Absturz danach keineswegs so heftig ausfallen wie 2008, er kann auch moderat sein wie 1990: Damals war der Spuk nach wenigen Monaten vorbei; bereits im ersten Quartal 1991 gab es neue Höchststän­de.

Umgekehrt sollten Anleger bedenken: Nicht jeder schwere Absturz wurde von einer inversen Renditekur­ve angekündig­t. In den Jahren 1984 bis 1987 war die Rendite zehnjährig­er US-Treasuries stets höher als die zweijährig­er Papiere, auch Rezession gab es keine, dennoch kam es 1987 zu einem Kursrutsch von einem Drittel. Die Gründe dafür sind bis heute unklar. Einige geben dem aufkeimend­en Computerha­ndel die Schuld, andere der Tatsache, dass die Kurse in den Jahren davor den Gewinnen davongelau­fen waren. Faktum ist: Es ist passiert, und zwar für die damals aktiven Anleger aus heiterem Himmel. Dass etwas Ähnliches wieder passiert und auch die heutigen Anleger völlig auf dem verkehrten Fuß erwischt, ist nie ganz auszuschli­eßen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria