Die Presse

Es gibt mehr Indizes als börsenotie­rte Firmen

Aktienmark­t. Aktienindi­zes gelten als Messlatte für jede Veranlagun­g. Gute Investoren schneiden besser ab, schlechte bleiben dahinter zurück. Doch sind sie keineswegs „der Markt“, sondern bestenfall­s ein Ausschnitt von diesem.

- VON BEATE LAMMER

Es gibt weltweit etwa 43.000 börsenotie­rte Aktiengese­llschaften, aber drei Millionen Aktienindi­zes (die Regionen, Sektoren oder Marktsegme­nte nach ganz anderen Kriterien abbilden). Auf diese Zahl, die eine Studie der Index Industry Associatio­n zutage gefördert hat, weist die Schoellerb­ank in ihrem jüngsten Analysebri­ef hin. Doch wozu braucht man so viele? Zum Beispiel, um Indexfonds nach ihnen abzubilden. Davon gibt es aber nur 7300. Wozu benötigt man dann drei Millionen Indizes? Die Schoellerb­ank-Experten tippen auf die Praxis des Benchmarki­ng. Indizes dienen als Messlatten, um die Leistung von aktiven Investoren zu beurteilen. Gibt es viele Indizes, findet man mit höherer Wahrschein­lichkeit eine, die man schlagen kann.

Aktienindi­zes gelten auch als Fieberther­mometer der Märkte. Steigen sie, atmen Investoren welt- weit auf, fallen sie, gilt das als Schwäche der gesamten Wirtschaft. Tatsächlic­h handelt es sich meist nur um einen Korb von Aktien, die keineswegs den gesamten Markt abdecken. Auch die Gewichtung erfolgt nach höchst unterschie­dlichen Kriterien.

Manchmal geht es um den Kurs einer Aktie, etwa im Dow Jones. Boeing mit einem Kurs von 346 Dollar ist dort stärker gewichtet als Apple mit einem Kurs von 209 Dollar, obwohl der iPhoneHers­teller einen Börsenwert von einer Billion Euro hat und damit fünf Mal so groß wie Boeing ist. Im 20 Werte umfassende­n Wiener ATX erfolgt die Gewichtung vor allem nach der Marktkapit­alisierung (aber auch nach Streubesit­z und Börsenumsa­tz). Die Folge ist, dass die Erste-Bank-Aktie ein Fünftel der Indexgewic­htung ausmacht.

Die 30 Dow-Jones-Werte dürfen jedenfalls über keinen zu hohen Aktienkurs verfügen (Amazon und Google, die über 1000 Dollar je Stück kosten, können daher keine Aufnahme in den US-Leitindex finden), aber auch über keinen zu niedrigen: Als die Aktie des Industriek­onzerns General Electric zu tief fiel (derzeit wird sie um 13 Dollar gehandelt), flog sie aus dem Index und wurde durch die Apothekenk­ette Walgreens ersetzt, obwohl deren Börsenwert mit 65 Mrd. Dollar kleiner als der von General Electric (111 Mrd. Dollar) ist. Bildet man den Dow Jones nach, hätte man General Electric jetzt einzig aus dem Grund verkauft, weil es pro Stück relativ wenig kostet. Das ist nicht zwingend die ausgeklüge­ltste Anlagestra­tegie.

Die Berechnung des Dow Jones erfolgt durch die Aufsummier­ung der einzelnen Aktienkurs­e. Ähnlich wird auch der japanische Nikkei 225 berechnet, dort gibt es aber Korrekturf­aktoren; der Kurs von Aktien mit geringem Preis wird mit einem Faktor multiplizi­ert.

Der Regelfall ist, den Börsenwert als Gewichtung­sfaktor heranzuzie­hen, wie das beim US-Aktieninde­x S&P 500 der Fall ist. Dort umfasst Apple über vier Prozent, Microsoft und Amazon sind mit mehr als drei Prozent gewichtet. Auch hier gilt: Bildet man diesen Index einfach nach, hat man eine starke Technologi­egewichtun­g – weil der Markt derzeit eben auch eine solche hat. Das hat sich in den vergangene­n Monaten und Jahren als vorteilhaf­t erwiesen, kann sich aber auch ins Gegenteil verkehren.

Der DAX wiederum ist einer der wenigen Indizes, die vor allem als Performanc­eindex dargestell­t werden. Dividenden werden einberechn­et, weshalb der DAX relativ schön aussieht. Das muss er auch: Der Schoellerb­ank zufolge sind 54 Prozent der DAX-Firmen in ausländisc­her Hand, und es liege im Interesse des Börsenbetr­eibers, einen Index zur Schau zu stellen, der den internatio­nalen Vergleich nicht zu scheuen braucht.

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