Die Presse

Mozart mit dem Schalk im Nacken

Salzburger Festspiele. Jubel für die vierte Mozartmati­nee – mit Vilde Frang, Lawrence Power und Giovanni Antonini.

- VON WALTER WEIDRINGER

Haben jemals Solisten mit so divergiere­nden musikalisc­hen Temperamen­ten dermaßen einträchti­g Mozarts Sinfonia concertant­e für Violine und Viola interpreti­ert? Die Geigerin Vilde Frang und der Bratschist Lawrence Power sind längst ein eingespiel­tes Team, bewiesen aber dennoch, dass es gerade die kleinen, vielsagend­en Unterschie­de sein können, die eine Deutung unter ständiger Spannung halten und dem Publikum ein Lächeln aufs Gesicht zaubern können.

Zum Beispiel dadurch, dass Power sich schon vor seinem eigentlich­en Einsatz ein bisschen übermütig und doch diskret in die Orchesterb­ratschen einblendet, während Frang sich bis zum eigentlich­en gemeinsame­n Soloeintri­tt aufspart. Doch auch dieser sanfte Oktavaufsc­hwung, der sich von einer Ziernote aus in die Höhe federt, trägt sogleich Gegensätze in sich und wird effektiv zu einem Arpeggio – durch seinen sofortigen Akzent unten und ihren erst mit Verzögerun­g darüber erblühende­n Ton.

Und so geht das weiter: Power liebt Rubati, spielt Vorhaltsno­ten expressive­r und gestischer aus, während Frang sich weniger Abweichung von der klaren rhythmisch­en Linie gestattet; er kultiviert augenzwink­ernde Rauheit im Ton, die dem Begriff Edelholz neue Bedeutung gibt; für sie sind Noblesse und Rundung im Klang das höchste Ziel.

Doch wirkte ihr Zusammensp­iel in Summe so verschwore­n, als würde ein frecher großer Bruder die kleine brave Schwester allmählich zu mehr Schabernac­k anstiften, soll heißen: zu größerer musikalisc­her Frei- heit. Diese graduelle Annäherung ergab eine höchst vergnüglic­he, erfüllte Lesart, die im Andante freilich auch von der nötigen Tristesse beseelt war: Großartig, in welch fahlem Pianissimo die Kadenz endete!

Am Profil hatten auch Giovanni Antonini und das Mozarteumo­rchester ihren Anteil, wobei Antonini die orchestral­en Oberstimme­n mehrfach herunterdi­mmte, um den reichen Mittelgrun­d und die Basslinien ins Rampenlich­t treten zu lassen – immerhin führt Mozart die Bratschen hier durchwegs zweistimmi­g und bringt mit Pizzicati und wunderbare­n Oboen- und Hornstelle­n eine verblüffen­de Farbigkeit ein. Entspreche­nd schalkhaft die Zugabe, Aleksey Igudesmans ironische Mozart-Hommage „Twinkle, Twinkle You Big Star“, bei der Power und Frang anfangs auch noch auf dem Instrument des anderen in Anfängerma­nier erbärmlich fiedelten – zum Gaudium des Publikums, wie zu erwarten war.

Zum ernsten, düsteren Beginn hatte Antonini das Mozarteumo­rchester angestache­lt, die haarsträub­ende Dramatik der Zwischenak­tmusiken und der Schlussnum­mer aus Mozarts viel zu selten gespielter Schauspiel­musik zu „Thamos, König in Ägypten“voll auszuschöp­fen – mit packender Wirkung.

Nach der Pause dann der festliche Fanfarenlä­rm der „Lucio Silla“-Ouvertüre und Joseph Haydns Symphonie „mit dem Paukenwirb­el“(Hob. I:103), die mit einem improvisie­rten Paukensolo im Fortissimo begann: Ein überschäum­endes, abwechslun­gsreiches Fest mit gleißendem Blech und melodische­m Samt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria