Moderne Justiz statt heiteren Kleingerichts
Der Forderung, die Bezirksgerichte beizubehalten und sogar noch auszubauen, stehen gewichtige Argumente entgegen.
Der Beitrag von Gerhard Strejcek („Vor dem Gesetz steht (k)ein Türhüter“, „Die Presse“, 2. August 2018), der sich wortreich für die Beibehaltung bzw. den Ausbau von Bezirksgerichten einsetzt, kann nicht unwidersprochen bleiben, da über einige Gesichtspunkte – die von ExJustizminister Dieter Böhmdorfer berechtigterweise kritisch angesprochen wurden – allzu leichtfertig hinweggegangen wird (und wesentliche Aspekte, die gegen die weitere Nutzung von Bezirksgerichten als „Stand-alone-Lösung“sprechen, ausgeklammert wurden).
Abgesehen davon, dass nicht alle Österreicher das „heitere Bezirksgericht“in der „Kronen Zeitung“für repräsentativ für die vor Gericht zu lösenden Probleme der „kleinen Leute“sehen, erwarten sich wohl die wenigsten Rechtssuchenden einen „strengen, aber gerechten Mann der Justiz“, sondern einen Richter/eine Richterin mit profunden Rechtskenntnissen und entsprechender Erfahrung.
Auch hier gilt – wie bei Krankenanstalten –, dass durch eine höhere Fallzahl je Sachverhalt die Qualität der Entscheidung steigt und die Anonymität der Rechtssuchenden die Bevorzugung einzelner Akteure eher verhindert, als die subtile Kenntnis lokaler Gepflogenheiten.
Die „Anreiseproblematik einfacher Parteien“und den Vorteil, nach einer Verhandlung „bald wieder im Stall stehen zu können“, ins Treffen zu führen ist wenig stichhaltig: Wie oft hat der „HuberBauer“mit dem Gericht zu tun? (Wahrscheinlich zwei-, dreimal im Leben?). Anreisedauer und -kosten sind damit wohl vernachlässigbar! Mitte des vorigen Jahrhunderts mag das Argument der geografischen Nähe noch eine gewisse Berechtigung gehabt haben – heutzutage zeugt dies wohl eher von einer herablassend paternalistischen Einordnung der Menschen in „einfache Gemüter“(die mit der Kappe in der schwieligen Hand vertrauensvoll den Ausführungen des Vertreters der Obrigkeit zu lauschen haben) und den unnahba- ren Respektspersonen, die „streng, aber gerecht“urteilen.
Wie soll man als Normalbürger „in Zeiten wie diesen“zu seinem Recht kommen? Gerade bei den von Strejcek angeführten Familienrechtsstreitfällen ist Objektivität besonders wichtig: Bei einem Bezirksgericht, auf dem der „liebe Wolfgang“(Anwalt des Klägers) dem „lieben F.“(Richter) seine Sicht der Dinge darlegt (die er ihm schon beim Stammtisch/RotaryClub-Abend/Golfplatz geschildert hat) und dieser – nach Rücksprache (und formal korrekter Einvernahme als Sachverständiger) mit dem „lieben G.“(Arzt) – die „liebe M.“(Anwältin) als Sachwalterin für einen begüterten, aber leicht verwirrten alten Mann einsetzt (wie kürzlich in einem Bezirksgericht im Innviertel erlebt)?
Selbst wenn man dies (obwohl durchaus naheliegend) nicht als „part of the game“sieht – dass sich wesentliche Prozessinvolvierte fast zwangsläufig mehrmals die Woche über den Weg laufen (als Mitglied der örtlichen Honoratiorenschaft sind Anwälte, Richter, Sachverständige oftmals auch befreundet), spricht nicht unbedingt für eine – höchst notwendige – Unvoreingenommenheit. Jemand, der nicht diesem Milieu angehört, hat vor einem Bezirksgericht von vornherein denkbar schlechte Chancen!
Die von Strejcek angeführten besseren Beschwerdemöglichkeiten sind zwar formal vorhanden, helfen in der Praxis aber kaum, da Gerichte über einen großen Ermessensspielraum verfügen (und diesen auch nutzen). Ex-Minister Böhmdorfer ist deshalb voll zuzustimmen, wenn er die Zusammenlegung bzw. Integration von Bezirks- und Landesgericht und Modernisierung der Justiz fordert!