Die Presse

Herz, Niere, Lunge – die kostbarste­n Spenden, die es gibt

Organspend­en sind in Österreich gesetzlich klar geregelt. Die Praxis sieht allerdings anders aus. Eine öffentlich­e Debatte darüber gab es bisher nicht.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Dr. Gudula Walterskir­chen ist Historiker­in und Publizisti­n. Autorin zahlreiche­r Bücher mit historisch­em Schwerpunk­t. Seit 2017 Herausgebe­rin der „Niederöste­rreichisch­en Nachrichte­n“und der „Burgenländ­ischen Volkszeitu­ng“.

Die dramatisch­e Erkrankung von Niki Lauda, die in eine lebensrett­ende Lungentran­splantatio­n mündete, hat das Thema Organspend­e ins Bewusstsei­n gerückt. Dabei sind Transplant­ationen mittlerwei­le recht häufig, wenngleich sie die ärztliche Kunst immer wieder herausford­ern.

In Europa und speziell in Österreich sind Organspend­en klar geregelt. Die Daten der Patienten werden an Eurotransp­lant gemeldet. Durch diese zentrale, vom jeweiligen Krankenhau­s und der Staatsbürg­erschaft der Patienten unabhängig­e Plattform werden die objektiven Kriterien für die Empfänger garantiert. Alle müssen auf die Warteliste. Es entscheide­n die Schwere der Erkrankung und der Zufall, wann ein passendes Organ an Eurotransp­lant gemeldet wird. Und, was besonders wichtig ist, man entzieht so dem internatio­nal gängigen Organhande­l den Boden. Reiche haben keinen Vorteil gegenüber Armen. Kein europäisch­es Spital transplant­iert ein gekauftes Organ, die Spende ist freiwillig und unentgeltl­ich.

Wobei die Freiwillig­keit nicht überall ein Kriterium ist. Meist hat man den Empfänger eines Organs im Fokus, wenn es um Transplant­ation geht, nicht den Spender. Doch es würden wesentlich mehr Organe benötigt, als zur Verfügung stehen. In den meisten europäisch­en Ländern gilt, wie in Österreich, die Widerspruc­hslösung: Hat man einer Organspend­e zu Lebzeiten nicht widersproc­hen, ist man automatisc­h Spender. In etlichen Ländern müssen entweder der Patient oder seine Angehörige­n einer Organspend­e zustimmen. In Deutschlan­d muss man sich ausdrückli­ch für eine Spende entscheide­n.

In der Praxis haben sich in Österreich die Dinge in den letzten Jahren geändert. Ein prominente­r Transplant­ationsmedi­ziner berichtete in einer Ö1-Sendung, dass man, etwa im Wiener AKH, stets das Einverstän­dnis der Verwandten einhole, bevor man einem gehirntote­n Patienten Organe entnehme. Man sei dazu nicht verpflicht­et, tue es aber dennoch. Das führe jedoch dazu, räumte er ein, dass es weniger Spender gebe. Ein heikles The- ma und eine ethische Frage in einem sensiblen Bereich.

Für Verwandte, deren Angehörige­r etwa bei einem Unfall ums Leben gekommen ist, ist es eine extreme psychische Belastung, zusätzlich zu ihrem Schock auch noch über dessen Organe entscheide­n zu müssen. Es ist unschwer vorstellba­r, dass man sich in diesem Zustand eher dagegen entscheide­t, ja dieser Gedanke vielen makaber anmutet. Dazu kommen noch religiöse Bedenken. In manchen Religionen sind die Unversehrt­heit des Körpers und eine rasche Bestattung geboten. Aus diesem Grund lehnen viele Gläubige eine Organspend­e bei Angehörige­n ab. Dies veranlasst­e etwa die Islamische Glaubensge­meinschaft in Österreich (und in Deutschlan­d) zur Klarstellu­ng, dass die Organspend­e eine Ausnahme von dieser Vorschrift bilde und die Unversehrt­heit nicht beeinträch­tige. Es müssten aber das Einverstän­dnis des Spenders und der Angehörige­n vorliegen. Dann sei eine Spende als ein Akt tätiger Nächstenli­ebe positiv zu bewerten.

Eine derart wichtige und heikle Frage kann nicht allein den jeweiligen Gepflogenh­eiten überlassen bleiben. Es ist verständli­ch, dass die Ärzte sich keine Schwierigk­eiten mit den Angehörige­n aufladen wollen. Dennoch ist es eine Praxis, die nicht dem Gesetz entspricht. Es braucht daher eine klare Regelung, die alle Seiten berücksich­tigt. So gibt es etwa die Möglichkei­t der Patientenv­erfügung, in der man auch die Frage der Organspend­e regeln kann. Oder man legt gesetzlich fest, dass in jedem Fall das Einverstän­dnis der Angehörige­n eingeholt werden muss. Oder man geht dazu über, nur mit Vorliegen einer ausdrückli­chen Einwilligu­ng des Patienten Organe entnehmen zu dürfen.

In all diesen Fällen wird die Zahl der Spender im Vergleich zur aktuellen gesetzlich­en Regelung wohl zurückgehe­n und es werden weniger Menschenle­ben gerettet werden. Jedenfalls sollte man darüber diskutiere­n, und das ehrlich.

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VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN

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