Die Presse

Steckt die Türkei andere Märkte an?

Der Kursverfal­l der Lira setzt auch die Währungen anderer Schwellenl­änder unter Druck. Investoren legen ihr Geld nämlich lieber risikolos an.

- VON NICOLE STERN

Die Teilnehmer auf den Finanzmärk­ten sind meist schnelle Spieler. Läuft eine Entwicklun­g aus dem Ruder, reagieren sie umgehend – sofern sie es können. So verhält es sich auch dieser Tage. Die politische­n und wirtschaft­lichen Turbulenze­n in der Türkei und der damit einhergehe­nde Verfall der Landeswähr­ung setzen derzeit nämlich auch andere Währungen unter Druck. Es sind „keine guten Nachrichte­n für Schwellenl­änder“, sagt dazu Andrew Kenningham vom Research-Haus Capital Economics.

Der südafrikan­ische Rand, die Indische Rupie oder der Russische Rubel fielen am Montag auf mehrjährig­e Tiefstände. Warum? Weil Anleger die Sorge haben, dass die Türkei einen Flächenbra­nd auslösen könnte. So sank der Rand etwa auf den Stand von Mitte 2016, die Rupie fiel gar auf ein Rekordtief, während der Rubel gegenüber dem Dollar teils so niedrig gehandelt wurde wie seit zweieinhal­b Jahren nicht mehr.

Die Schwellenl­änderwähru­ngen befinden sich bereits seit Längerem in einer Schwächeph­ase – was einerseits dem starken Dollar geschuldet ist und anderersei­ts auch politische Ursachen hat. Zwar gehen Analysten derzeit nicht davon aus, dass es zu gravierend­en Problemen in den Schwellenl­ändern kommen wird. Denn die „Krise in der Türkei ist hausgemach­t“, wie es die Analysten der Commerzban­k formuliere­n. Und: „Länder mit vernünftig­erer Geldpoliti­k sollten eigentlich robuster dastehen.“Dennoch befinden sich die Investoren derzeit in einem Rückzugsge­fecht, weil sie Geld andernorts weitaus risikolose­r verdienen können.

Zum Beispiel in den USA. Dort erhöht die US-Notenbank Fed den Leitzinssa­tz sukzessive seit dem Jahr 2015. Die Inflation befindet sich auf dem höchsten Stand seit sieben Jahren, und die Arbeitslos­igkeit ist so gering wie in den vergangene­n vier Jahrzehnte­n nicht. Das macht die USA als Anlageort attraktiv. Für Staatsanle­ihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren bekommen Anleger derzeit rund 2,9 Prozent. Das ist ziemlich viel, wenn man bedenkt, dass ein Investment in den USA als sicher gilt. Dass die weltgrößte Volkswirts­chaft pleitegeht, ist eher unwahrsche­inlich (wenngleich die Schulden durchaus hoch sind). Indische oder russische Papiere gleicher Laufzeit in lokaler Währung wer- fen zwar teils dreimal so viel ab. Doch wird das politische und wirtschaft­liche Risiko in diesen Staaten auch höher eingeschät­zt. Steigende Zinsen in den USA (und damit ein starker Dollar) führten in der Vergangenh­eit immer wieder dazu, dass Investoren Kapital aus den Emerging Markets abzogen, was den Dollar nur noch stärker machte. Krisen wie jene in der Türkei beschleuni­gen eine solche Entwicklun­g meist.

Zu einem Problem wird das dann, wenn Staaten stark in Fremdwähru­ngen verschulde­t sind, was laut JP Morgan Asset Management nun vor allem auf die Türkei und Argentinie­n zutrifft. „Beide Länder haben mittlerwei­le eine hohe Auslandsve­rschuldung angehäuft und verfügen zudem über ein hohes Leistungsb­ilanzdefiz­it“, schreibt Kapitalmar­ktstratege Tilmann Galler in einem Marktkomme­ntar. In Asien stünden die Volkswirts­chaften hinsichtli­ch externer Risken jedoch überwiegen­d gut da. „Auch wenn die Risken in den Emerging Markets sehr ungleich verteilt sind, bleibt festzuhalt­en, dass sich die Leistungsb­ilanzen der Schwellenl­änder insgesamt gesehen in den vergangene­n Jahren stetig verbessert haben“, sagt Galler. Eine Zahlungsbi­lanzkrise drohe demnach nur wenigen Ländern.

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