Droht Italien Angriff der Spekulanten?
Italien. Ein Berater des Ministerpräsidenten Guiseppe Conte fürchtet, italienische Staatsanleihen könnten Ziel von Spekulanten sein. Prompt dementiert die Regierung. Doch die Märkte sind nervös.
Wer hätte gedacht, dass ein italienischer Minister den Euro lobt? Der parteilose Außenminister Enzo Moavero Milanesi hat dies am Wochenende getan. „Diejenigen, die Zweifel haben, ob eine Währung wie der Euro gut ist, sollen sorgfältig darauf schauen, was in der Türkei passiert“, sagte er in einem Zeitungsinterview. Die Türkische Lira hat gegenüber Dollar und Euro mehr als 40 Prozent an Wert verloren (Siehe Seite 1 bis 3). Die verbale Beruhigungspille des Außenministers wirkte nicht lange.
Ursprüngliche Ankündigungen der populistischen Regierung, sich nicht an die Maastricht-Spielregeln halten zu wollen und die Staatsschulden zu erhöhen, ließen die Renditen italienischer Staatsanleihen auf ein Vier-Jahres-Hoch schnellen. Das wiederum bringt die ohnehin angeschlagenen Banken in Italien in Bedrängnis. Sie halten nämlich enorme Pakete an Staatsanleihen. Wie Gefangene sind Bankensektor und Staat aneinandergekettet. Als wäre die Situation nicht brisant genug, sorgte am Sonntag ein unvorsichtiger Kommentar eines Regierungsberaters für große Aufregung.
Giancarlo Giorgetti, Politiker der rechtsextremen Lega und Mitarbeiter von Ministerpräsident Guiseppe Conte, sagte der Zeitung „Libero“gegenüber, dass sich Italien im August auf einen Angriff von Spekulanten einstellen müsse. „Die Märkte sind voller hungriger spekulativer Fonds, die ihre Beute ausspähen und zugreifen. Schaut auf die Türkei.“Während die einen den Ball von den feindlichen Spekulanten aufnahmen, sprachen Kritiker von einer prophylaktischen Schuldzuweisung. Die Regierung, die das Land ins Chaos gesteuert habe, suche vorsorglich einen Sündenbock.
Rasch versuchte Vize-Regierungschef Luigi Di Maio am Montag die Pferde wieder einzufangen. „Ich sehe keine konkrete Gefahr“, sagt er dem „Corriere della Sera“. Beruhigen konnte der Politiker der linken Fünf-Sterne-Bewegung die Finanzmärkte aber nicht.
Längst sehen Italiens Kreditinstitute – allen voran die Großbank UniCredit – ihre finanzielle Widerstandsfähigkeit ausgehöhlt, nachdem die Kurse der Staatsanleihen gesunken sind. Die Banken des Landes halten bei Weitem die meisten Staatspapiere unter den Kreditinstituten in Europa. „Die Verbindung zwischen dem Bankgeschäft und Staatsanleihen ist im- mer noch da. Die Ergebnisse des zweiten Quartals zeigen, wie stark italienische Kreditinstitute dem Länderrisiko ausgesetzt sind“, sagt Stefano Girola, Portfoliomanager bei Alicanto Capital SGR, zu Bloomberg. „Ein anhaltender Rückgang italienischer Anleihekurse belastet die Kapitalbasis der Banken und könnte auch zu einem Anstieg der Risikokosten führen.“Der Kapitalrückgang durch italienische Staatsanleihen war bei den fragileren Instituten Banca Monte dei Paschi di Siena und Banco BPM höher als erwartet. Während die Schwankungen bei den Werten der Staatsanleihen die Gewinne der Banken nicht beeinflussen, werden die Änderungen vierteljährlich in den Kapitalniveaus berücksichtigt.
Auf Druck der EZB reduzierten die Banken in den vergangenen Jahren ihre Bestände an italienischen Staatsanleihen. Doch als im Frühjahr die Wahlen in Italien den Kapitalmarkt beunruhigten, kauften die Banken Staatsanleihen um elf Milliarden Euro. „Das Verhalten der italienischen Banken während des Ausverkaufs deutet darauf hin, dass sie bereit sind einzugreifen, wenn andere Investoren verkaufen – wie während der Euroraumkrise“, sagt Tom Kinmonth, Stratege bei ABN Amro Bank NV.
Der Reflex der Banken scheint verständlich. Das einzige Risiko ist ein Staatsbankrott Italiens. Der würde die Banken mit in den Abgrund ziehen – mit oder ohne Staatsanleihen. (ag.)