500 Millionen für das neue Parlament?
Interview. Dietmar Steiner, langjähriger Direktor des Architekturzentrum Wiens, sieht die steigenden Kosten bei der Sanierung des Parlaments am Ende des Tages bei 500 Millionen Euro – und nennt die Gründe.
Die Kosten für die Sanierung des Parlaments drohen zu explodieren.
„Das wusste man vorher: Miserable, ungenaue Ausschreibung, die alle Verantwortung und alles Risiko den Generalplanern überantwortet.“Nachsatz: „Wer diesen Harakiri-Auftrag bekommt, dem droht der Konkurs. Deshalb sucht die überforderte Parlamentsdirektion jetzt späte professionelle Hilfe bei der BIG. Die eindeutige Schuld liegt beim Auftraggeber!“
Es sind harte Worte, mit denen Architekt Dietmar Steiner jene Probleme bei der prestigeträchtigen Sanierung des Parlaments kommentiert, die von der „Presse“aufgedeckt wurden. Wobei Steiner nicht irgendein Architekt ist: Von 1993 bis Ende 2016 war er Direktor des Architekturzentrum Wiens, von 1980 bis 1982 Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Architektur, er hatte auch einen Lehrstuhl für Geschichte und Theorie der Architektur in Wien.
„Nicht die üblichen 10 Prozent“
„Ich gehe davon aus, dass gegenüber den prognostizierten Gesamtkosten nicht die üblichen zehn Prozent kommen, sondern 30 bis 40 Prozent.“Und: „Ich würde mich nicht wundern, wenn das Projekt am Ende um die 500 Millionen Euro kostet“, erklärt Steiner.
Zur Einordnung: Derzeit wird für die Sanierung mit Gesamtkosten in der Höhe von 352 Mio. Euro gerechnet. Demnach würde Steiners Prognose eine Kostenexplosion um rund 150 Mio. Euro bzw. 30 Prozent auf eine halbe Milliarde Euro bedeuten. Wobei in den 352 Mio. Euro nicht nur die Baukosten, sondern auch Übersiedlungskosten etc. inkludiert sind.
Wie kommt Steiner zu seinen Schätzungen? Einerseits aufgrund von Erzählungen „von jenen, die in die Auslobung involviert sind“, meint der frühere AzW-Direktor über die aktuellen Sanierung des Parlaments. Andererseits, weil „bei einer derartig großen historischen Bausubstanz immer wieder etwas Unvorhergesehenes auftritt. Das kann man gar nicht verhindern.“Seit seiner Entstehung (es wurde von 1874 bis 1883 nach einem Entwurf von Theophil von Hansen errichtet) sei das Parlament immer wieder saniert und umgebaut worden. „Immer wieder gab es neue kleine oder große technische Lösungen.“Heute gebe es niemanden, der das alles wisse – weil nicht alles dokumentiert sei. „Derzeit wird an der Baugeschichte des Parlaments gearbeitet. Aber auch hier findet man nicht alle Pläne“, meint Steiner. Das sei der Komple- xität eines derartigen Baus geschuldet. Deshalb sei man grundsätzlich mit einem zu geringen (Finanz-)Rahmen an das Projekt gegangen – was „völlig irrational“sei.
Ein Problem für Steiner ist auch der Bauherr, also das Parlament: „Der Auftraggeber weiß nicht, was er will. Das hat man an Einsparungen gesehen, damit das Projekt im Kostenrahmen bleibt.“
Was Steiner damit meint? „Es wird einfach etwas nicht realisiert, was geplant war. Und das kann sich in zehn oder 15 Jahren als ver- hängnisvoll herausstellen“, erklärt der Architekt, der seine Aussage als grundsätzlich verstanden wissen will: „Es wird auf Investitionen verzichtet, die man in Zukunft oft nicht mehr machen kann.“
Welche Folgen das haben kann, beschreibt Steiner am Beispiel des Wiener Museumsquartiers: „Das war im Budgetrahmen. Aber nur, weil die unterirdische Anlieferung von der Burggasse aus zur Mariahilfer Straße eingespart wurde.“Man habe damals rund 30 Prozent des Budgets gestrichen: „Aber es wäre ein wichtiges Infrastrukturprojekt gewesen, das viele Probleme gelöst hätte, die wir heute dort haben.“Nachsatz: „Es ist eine Investition, die man nie mehr machen kann.“
Die Sanierungsgesellschaft für den Parlamentsumbau wiegelte am Mittwoch unterdessen ab. Es gebe keine Überschreitung des Gesamtkostenrahmens, man habe Reserven eingeplant.