Die Presse

„Vergeltung“der Türkei

Sanktionen. Die Türkei strahlt Zuversicht aus, dass sich das Verhältnis zu den USA bald wieder verbessern und die Wirtschaft­slage normalisie­ren könnte. Doch dafür gibt es derzeit kein Indiz.

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Ankara antwortet mit eigenen Zöllen und hofft auf eine baldige Verbesseru­ng der Wirtschaft­slage.

Die Türkei rechne damit, dass die Probleme des Landes mit den USA bald beigelegt werden können. Das sagte gestern der Sprecher des türkischen Präsidente­n, Ibrahim Kalin. Was für eine Verbesseru­ng der Beziehung mit den USA erforderli­ch ist, weiß Kalin auch: Die USA müssten nur ihre Versuche aufgeben, die türkische Justiz zu beeinfluss­en.

Ebenso zeigte sich der Sprecher von Recep Tayyip Erdogan˘ zuversicht­lich, dass sich die Wirtschaft­slage in der Türkei in naher Zukunft wieder normalisie­ren und die türkische Lira sich rasch erholen werde.

Woher das Sprachrohr des türkischen Präsidente­n seinen Optimismus nimmt, bleibt indes unklar. Denn viel Anlass dazu gab es in den vergangene­n Tagen und Stunden nicht. Im Gegenteil: Die Regierung in Ankara selbst heizte den Konflikt weiter an. Sie erhöhte am Mittwoch die Einfuhrzöl­le auf bestimmte US-Produkte drastisch. Für Autos wird nach einem von Präsident Erdogan˘ unterzeich­neten Dekret der Zollsatz auf 120 Prozent verdoppelt, berichtete das Amtsblatt „Resmi Gazete“. Bei alkoholisc­hen Getränken wird er auf 140 und bei Tabak auf 60 Prozent angehoben.

Auch für andere Waren gelten künftig höhere Zölle, darunter Kosmetika, Reis und Kohle. Bereits am Dienstag hatte Erdogan˘ als Reaktion auf eine Anhebung der Zölle durch die USA Sanktionen gegen den iPhone-Hersteller Apple angekündig­t. „Wir werden einen Boykott über elektronis­che Produkte aus den USA verhängen“, sagte er.

„Prinzip der Gegenseiti­gkeit“

Erdogans˘ Stellvertr­eter, Vizepräsid­ent Fuat Oktay, stellte auf Twitter klar, dass es sich bei den aktuellen Maßnahmen um „Vergeltung für die wirtschaft­lichen Angriffe der USA auf die Türkei“handelt. Sein Land folge „dem Prinzip der Gegenseiti­gkeit“und reagiere des- halb auf die „absichtlic­hen Angriffe der US-Regierung“.

Eine der Ursachen für die angespannt­e Situation zwischen Erdogan˘ und dem amerikanis­chen Präsidente­n Donald Trump ist die Festnahme des US-Pastors Andrew Brunson im Jahr 2016 in Izmir. Die türkische Justiz wirft ihm vor, dass er in Verbindung mit dem in den USA lebenden Geistliche­n Fethullah Gülen steht. Und dieser soll, so glauben Erdogan˘ und seine Berater, hinter dem Putschvers­uch vor zwei Jahren stehen.

Seit dem Frühjahr wird Brunson nun der Prozess gemacht. USPräsiden­t Trump fordert jedoch seine Freilassun­g. Nachdem das türkische Gericht seiner Aufforderu­ng nicht nachkam, verhängte er Anfang August erste Sanktionen gegen die türkischen Minister für Justiz und Inneres. Brunson stellte erneut einen Antrag, aus dem Hausarrest entlassen zu werden. Abermals ohne Erfolg. Gestern teilte das Staatsfern­sehen TRT mit, dass sich für Brunson nichts ändern werde. Nun wird mit weiteren Verschärfu­ngen der Sanktionen seitens der USA gerechnet.

Bankenaufs­icht greift ein

Der Handelsstr­eit mit der weltgrößte­n Volkswirts­chaft USA ist einer der Gründe für den Absturz der türkischen Währung Lira, die seit Jahresbegi­nn fast 40 Prozent an Wert verloren hat und zu Wochenbegi­nn auf ein Rekordtief von 7,24 Lira zum Dollar gefallen war. Inzwischen hat sich der Kurs wieder etwas stabilisie­rt: Der Dollar verbilligt­e sich um sieben Prozent auf rund sechs Lira. Die türkische Bankenaufs­icht hat nämlich Maßnahmen gesetzt, um die Währung zu stabilisie­ren. Sie schränkte Devisen-Tauschgesc­häfte heimischer Institute mit ausländisc­hen Investoren am Mittwoch erneut weiter ein. Devisen-Swaps dürfen künftig nur noch 25 Prozent des Eigenkapit­als einer Bank ausmachen. Bei derartigen Transaktio­nen werden Devisen gekauft. Zugleich wird vereinbart, sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder abzugeben. Geldhäuser nutzen diese Geschäfte beispielsw­eise, um sich gegenüber Wechselkur­srisken abzusicher­n. Zudem kündigte die Zentralban­k der Türkei an, alle nötigen Schritte zu unternehme­n, um die Liquidität­sversorgun­g der Geschäftsb­anken sicherzust­ellen.

Die USA waren für die Türkei 2017 der viertwicht­igste Importpart­ner mit einem Volumen von zwölf Mrd. Dollar. Umgekehrt exportiert­e die Türkei für knapp neun Mrd. Dollar in die USA, die damit der fünftgrößt­e Exportkund­e des Landes sind.

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[ Reuters ] Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan˘ rief seine Landsleute auf, keine iPhones mehr zu kaufen.

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