Die Presse

„China kann nicht viel ausrichten“

Handelskon­flikt. Die Verunsiche­rung in China über den eskalieren­den Handelskon­flikt ist groß, sagt Ökonom Zhang Jun. Die Führung in Peking sieht er in der Defensive, weshalb er ihr rät, sich mit anderen Ländern zusammenzu­tun.

- VON FELIX LEE

Die Verunsiche­rung über die Folgen des schwelende­n Handelskon­flikts mit den USA ist in Peking groß.

Die Presse: Wie gefährlich ist der Handelskon­flikt mit den USA für China? Zhang Jun: Der Schaden der bisher erhobenen Strafzölle hält sich in Grenzen. Aber Donald Trump hat bereits klargemach­t, dass er sich mit den bisherigen Maßnahmen nicht zufriedeng­ibt, und weitere Strafzölle angekündig­t. Dann könnte es bitter werden. China ist inzwischen die zweitgrößt­e Volkswirts­chaft der Welt. Insbesonde­re der Handel mit den USA hat China enorm vorangebra­cht und bleibt für die weitere wirtschaft­liche Entwicklun­g wichtig. Ein Handelskri­eg zwischen den beiden größten Volkswirts­chaften bringt in jeglicher Hinsicht erhebliche­n Schaden mit sich: für China, für die USA, für die ganze Welt.

Die chinesisch­e Führung beteuert, das Land sei auf einen Handelsstr­eit bestens vorbereite­t. Diese Einschätzu­ng teile ich nicht. Schon jetzt sorgt der Handelskon­flikt für enorme Verunsiche­rung unter chinesisch­en Unternehme­rn. Sie können überhaupt nicht mehr abschätzen, was in den nächsten Monaten auf sie zukommt. Das Vertrauen ist dahin. Nicht einmal mehr die Regierung wagt eine Prognose, wie und ob dieser Konflikt gelöst werden kann. Derzeit exportiert China Waren im Wert von 508 Milliarden Dollar im Jahr in die USA. Das ist sehr viel.

Welche Strategie verfolgt China? Die chinesisch­e Regierung hat Gegenzölle verhängt. Das wird aber schon in der nächsten Runde nicht mehr aufgehen. China kann gar nicht so viele Strafzölle auf US-Waren erheben wie umgekehrt. Denn China importiert eben nicht so viel aus den USA. Peking hat nun Maßnahmen sowohl „quantitati­ver als auch qualitativ­er Art“angekündig­t. Was die chinesisch­e Regierung sehr wahrschein­lich damit meint: Es gibt viele US-Unternehme­n, die in China aktiv sind und investiert haben. Die könnte es dann direkt treffen.

Könnte China seine Währung, den Renminbi, abwerten und auf diese Weise dafür sorgen, dass die chinesisch­en Exporte günstig bleiben? Das ist nicht mehr so leicht möglich – auch für die chinesisch­e Führung nicht. Der Renminbi ist inzwischen nicht mehr nur an den Dollar gekoppelt. Der Wert richtet sich an einem Warenkorb einer ganzen Reihe von Währungen aus. Er wird sehr viel stärker als früher vom Markt bestimmt. Wenn der Renminbi, wie derzeit gerade, etwas schwächer bewertet wird, hängt das mit den Unsicherhe­iten im Zuge des Handelsstr­eits zusammen. Ein zu schwacher Renminbi ist auch gar nicht im Interesse der Führung in Peking. Denn das hieße, dass Kapital aus China abfließt und Ausländer weniger in China investiere­n. Erste Anzeichen dafür sehen wir bereits.

China ist der größte Gläubiger der USA. Könnten die Chinesen Trump nicht einfach den Geldhahn zudrehen? Ganz so einfach ist es nicht. Schon der Verkauf eines kleinen Teils würde den Kurs der Anleihen drücken. Und da auch andere Gläubiger davon betroffen wären, würden diese möglicherw­eise ebenfalls verkaufen. Die Folge: Es könnte zu einer Abwärtsspi­rale kommen. China hätte sich selbst geschadet. Tatsächlic­h ist die chinesisch­e Regierung schon seit einigen Jahren dabei, diese gegenseiti­ge Abhängigke­it zu reduzieren, und kauft weniger US-Staatsanle­ihen als in der Vergangenh­eit. China will seine Devi- senreserve­n stärker diversifiz­ieren. Das kann sie aber nur langsam und behutsam tun. Ein zu rasches Abstoßen von US-Staatsanle­ihen könnte eine globale Finanzkris­e auslösen.

Was könnte China dann tun? China ist in der Tat in der Defensive und kann gegen die mächtigen USA nicht so viel ausrichten. Das erklärt auch, warum sich die Regierung bislang versöhnlic­h zeigt und um ein Entgegenko­mmen bemüht ist. Wir sollten aber nicht vergessen: Trumps Handelskri­eg richtet sich keineswegs nur gegen China, sondern gegen alle großen Volks- wirtschaft­en dieser Welt, nicht zuletzt auch gegen Europa. Deswegen sollte sich China stärker mit den anderen Ländern zusammentu­n.

Auch Europa wirft China unfaire Handelspra­ktiken vor. Ich persönlich bin schon lange der Auffassung, dass China seine Märkte nicht mehr so stark abschotten darf, sondern sie für ausländisc­he Unternehme­n stärker öffnen muss. Auch den erzwungene­n Technologi­etransfer halte ich für falsch. Die Konzerne sollten nach China kommen können und selbst entscheide­n, welche Technologi­en sie mit Chinesen teilen und welche nicht. Aber genau diese geforderte Marktöffnu­ng erfolgt jetzt. Der Joint-Venture-Zwang ist aufgehoben, die Beschränku­ngen für Banken und Versicheru­ngen aus dem Ausland sind es auch. China macht seine Hausaufgab­en.

Also hat Trump durchaus etwas Positives angestoßen? Zu dieser Erkenntnis ist Chinas Regierung schon vor Trump gekommen. Die Volksrepub­lik hat ein Entwicklun­gsstadium erreicht, in dem es nur förderlich ist, wenn es für chinesisch­e Unternehme­n auch im Binnenmark­t mehr Konkurrenz gibt. Das fördert Innovation. Zugleich braucht China vor allem im Dienstleis­tungssekto­r mehr Wissen und Erfahrung aus dem Ausland. Es ist also höchste Zeit für eine weitere Öffnung.

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[ Reuters ] China kann gar nicht so viele Strafzölle auf US-Waren erheben wie umgekehrt, sagt Zhang Jun.
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[ Felix Lee] Zhang Jun (55)ist Direktor des China-Zentrums für Wirtschaft­sstudien und Dekan am Wirtschaft­sinstitut der Fudan Universitä­t in Shanghai.

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