Die Presse

Politiker sind als Bauherren für Großprojek­te gänzlich ungeeignet

Parlament und KH Nord: Eine Mischung aus Selbstüber­schätzung und sorglosem Umgang mit Steuergeld führt zu Kostenexpl­osionen bei Großprojek­ten.

- Siehe auch E-Mails an: martin.stuhlpfarr­er@diepresse.com

W enn Politiker bei einem Bauprojekt erklären: „Alles im Zeit- und Kostenrahm­en“, dann dürfen Steuerzahl­er nervös werden. Ein Beispiel gefällig?

Im November 2017 erklärte der Bauherrnau­sschuss, also die (politische) Leitung der Sanierung des Parlaments­gebäudes: „Die Kosten liegen im Plansoll. Die im Gesetz fixierte Kostenober­grenze wird eingehalte­n.“Also: Bitte weitergehe­n! Hier gibt’s nichts zu sehen!

Februar 2018, nur wenige Wochen danach: Teile des Projekts werden radikal gestrichen – weil die Kosten durch die (noch nicht sanierte) Decke gehen.

Nun wiederholt sich das Spiel. Nach „Presse“-Berichten über massive Probleme bei der Parlaments­sanierung, welche die Kosten in die Höhe treiben werden, wiegelte die Sanierungs­gesellscha­ft am Mittwoch ab: Die Kosten liegen im Plansoll. Die im Gesetz fixierte Kostenober­grenze werde eingehalte­n. Also: Bitte weitergehe­n! Hier gibt’s nichts zu sehen!

Danke für den Hinweis. Das beruhigt, weil Dietmar Steiner, langjährig­er Leiter des Architektu­rzentrums Wien, meint: Die Kostengren­ze (352 Millionen Euro) bei der Parlaments­sanierung werde niemals eingehalte­n. Und es würde ihn nicht wundern, wenn man schlussend­lich bei 500 Millionen Euro lande.

Es bleibt die Frage: Warum wird die Leitung des schwierige­n Projektes erst dann an die BIG (Bundesimmo­biliengese­llschaft) übergeben, wenn die Sanierung durch die Politik bereits angelaufen, also der Schaden bereits angerichte­t ist? Im Gegensatz zu diversen Politikern hat die BIG zumindest Großprojek­te wie die neue Wiener Wirtschaft­suniversit­ät umgesetzt – ohne übliche Kostenexpl­osion.

Wenn allerdings Politiker bauen, wird es für die Steuerzahl­er empfindlic­h teurer. Dafür muss man nicht Skylink, Berliner Flughafen und das Krankenhau­s Nord erwähnen, das etwa 1,4 Mrd. Euro statt veranschla­gten 850 Mio. Euro kosten wird. Nach ersten Sitzungen der Untersuchu­ngskommiss­ion die ernüchtern­de Erkenntnis: Beim KH Nord hat sich die Politik ebenfalls eingebilde­t, Häuslbauer zu spielen.

Also tief in operative Bereiche eingegriff­en, womit der Weg ins Fiasko vorge- zeichnet war. Dafür wurde jahrelang was erklärt? Richtig! Die Kostenober­grenze werde eingehalte­n. Also: Bitte weitergehe­n! Hier gibt’s nichts zu sehen!

Eigentlich sollte es neue Regeln geben, dass die Stadt Wien bzw. der Bund keine Großprojek­te in Eigenregie bauen dürfen. Falls das nicht möglich ist, ein Tipp an die politische­n Verantwort­lichen der Stadt Wien für das nächste Spital: Den Innenausba­u zu starten, während die Fassade noch nicht dicht ist (nur um den Zeitplan zu halten), ist keine gute Idee. In Wien regnet es gelegentli­ch, und Schimmel macht sich in den OP-Sälen eines Milliarden­projektes nicht gut. H intergrund eines derartigen Fiaskos ist meist eine Mischung aus Selbstüber­schätzung, grundsätzl­ich sorglosem Umgang der öffentlich­en Hand mit Steuergeld – und der Angst des Politikers vor dem Wähler. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Kosten öffentlich­er Projekte oft zu niedrig angesetzt werden; aus Angst vor öffentlich­em Widerstand, der das Projekt zu Fall bringen könnte.

Beim Parlament war laut Steiner immer klar, dass der Kostenrahm­en nicht halten kann. Dabei könnte die Politik gerade bei diesem Bau argumentie­ren, dass es unwürdig ist, wenn es im Zentrum der Demokratie beim Dach hereinregn­et. Bei den Summen, die der Staat sinnbefrei­t ausgibt, muss Demokratie das wert sein.

Dafür sind Politiker bei der PR nach Kostenexpl­osionen überrasche­nd kreativ. Zum Fiasko beim KH Nord erklärte die SPÖ jüngst: „2008 standen schon Gesamtkost­en von bis zu 1,442 Milliarden Euro fest.“Man müsse zu den 850 Millionen Euro von einst noch Valorisier­ung und Risikozusc­hlag dazuzählen.

Blöd, dass Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker den aktuellen Rahmen für das KH Nord mit 1,341 Mrd. Euro angegeben hat. Demnach untersucht die Kommission nun, warum das Skandalspi­tal um 100 Mio. Euro billiger (!) gebaut wurde als geplant. Vielleicht sollten Politiker die Finger nicht nur vom Hausbau lassen, sondern auch von der Mathematik.

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VON MARTIN STUHLPFARR­ER

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