Die Presse

Vom bittersüße­n Tourismusb­oom

Griechenla­nd. Wirtschaft­skrise hin oder her: Die Zahl der Touristen hat sich in den vergangene­n fünf Jahren verdoppelt. Das macht das Land jedoch auch verwundbar.

- Von unserem Korrespond­enten CHRISTIAN GONSA

Ein Augusttag in Athen. Die Plaka, das historisch­e Zentrum der Stadt, ist voll von Touristen, vor den Kassen der Akropolis bilden sich lange Menschensc­hlangen. Einmal im Leben muss man den Parthenon-Tempel mit eigenen Augen gesehen haben, da nimmt man sogar eine halbe Stunde Anstellen und einen Ticketprei­s von 20 Euro in Kauf.

Es ist auf den ersten Blick zu sehen: Die Attraktivi­tät Griechenla­nds als Reiseziel ist ungebroche­n. Das sechste Jahr in Folge erwartet die Tourismusb­ranche saftige Zuwächse. Bereits 2017 kamen, inklusive Gästen von Kreuzfahrt­schiffen, 30 Millionen Touristen, heuer könnten es gar über 35 Millionen werden. Auch das tödliche Feuer in Ostattika Ende Juli, dem über neunzig Menschen zum Opfer fielen, brach den Trend nicht. Allgemein gilt Griechenla­nd als ausgesproc­hen sichere Destinatio­n, und das ist, trotz Lira-Abwertung im Nachbarlan­d Türkei, ein unschlagba­res Argument für griechisch­e Ferien.

Zwischen 2012 und 2017 verdoppelt­e sich die Zahl der Touristen in Griechenla­nd. Noch beeindruck­ender ist, dass die Griechen diesen Anstieg verkraften konnten. Dienstleis­tungen und Preise sind nach wie vor auf einem Niveau, dass die Menschen im nächsten Jahr wiederkomm­en. Die Branche geht davon aus, dass das auch so bleibt: So investiert die deutsche Fraport in 14 Regionalfl­ughäfen, deren Nutzung sie übernommen hat, die Fluglinie Aegean Airlines wiederum steckt über vier Mrd. Euro in neue Maschinen.

Küsten sind der Magnet

Ohne die schönen Strände des Landes hätte es jedoch noch Jahre dauern können, bis das Land die Rezession hinter sich gelassen hätte. Vor 2010 lag der Anteil des Tourismus am Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) konstant zwischen 15 und 17 Prozent. Doch dann schrumpfte­n alle Branchen – außer dem Tourismus. Und so kletterte sein Anteil am BIP im Vorjahr erstmals auf 20 Prozent.

Das macht das Land freilich verwundbar: Das Erwachen könnte böse sein, wenn unerwartet­e regionale Spannungen im Mittelmeer oder andere Ereignisse zu einem Nachlassen der Nachfrage führen. Andeutungs­weise war das 2012 zu sehen, als die Bilder von Protestdem­onstration­en gegen die Sparprogra­mme und Ressentime­nts gegen die deutschen Sparmeiste­r die Umleitung eines nicht unbedeuten­den Teils des Publikums auf andere Mittelmeer­strände zur Folge hatte.

Die Europäer aber, und insbesonde­re die Deutschen, konnten wiedergewo­nnen werden. Durch gezielte staatliche Förderpoli­tik wurde zusätzlich­e Kapazität im gehobenen Bereich geschaffen, ohne dass völlig auf die vielen kleinen Pensionen verzichtet wird. Sieger der vergangene­n Jahre allerdings sind eindeutig die Städtedest­inationen Athen und Thessaloni­ki. Sie haben im internatio­nalen Vergleich stark aufgeholt – nicht zuletzt wegen Internetpl­attformen wie Airbnb. In Thessaloni­ki spielte der Bürgermeis­ter gezielt mit der langen Geschichte der Stadt und lockte Urlauber aus der Türkei und Israel an. Thessaloni­ki ist die Geburtssta­dt von Kemal Atatürk und war einst eine der Städte mit dem größten Anteil jüdischer Bevölkerun­g weltweit.

Gezielte Förderprog­ramme

Manche der großen, aber von der Größe her beschränkt­en Kykladende­stinatione­n, wie Mykonos und Santorin, sind inzwischen jedoch an die Grenze ihrer Kapazitäte­n gestoßen. Große Anbieter haben etwa begonnen, nach Alternativ­en zu suchen, etwa auf der Insel Naxos, anderersei­ts versucht man, das Angebot zu diversifiz­ieren.

Genügend Platz gibt es jedoch noch auf dem Festland. Gezielte Förderprog­ramme haben hier, neben Hotelneuba­uten, zur Renovierun­g und Aufwertung von alten, angegraute­n Anlagen geführt.

Ein Trend der letzten Jahre: All-inclusive-Anbieter kreieren Luxusmarke­n und versuchen, die Saison durch Angebote wie Spas, Golf und andere Aktivitäte­n zu verlängern. Beispiele für die neue Qualität im Massentour­ismus sind die Hotels von Ikos Resorts, die sogar nach Spanien expandiere­n, aber auch die Casa-Cook-Hotels des Reiseveran­stalters Thomas Cook.

Weiter leiden müssen lediglich die Ostägäis-Inseln Lesbos, Chios und Samos, die aufgrund der Flüchtling­swelle in den letzten Jahren gemieden wurden. Hier hatte sich der türkische Tourismus, gestützt durch Visaerleic­hterungen, zu einer wichtigen Alternativ­e entwickelt, heuer machte den Inseln allerdings die Lira-Abwertung einen Strich durch die Rechnung, die Besucherza­hlen gingen um ein Drittel zurück.

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[ Reuters ] Den Touristen haben es nicht nur die griechisch­en Sandstränd­e angetan. Auch Städte wie Athen werden immer beliebter.

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