Die Presse

Ein Zombie-Gen schützt Elefanten vor Krebs

Die Reaktivier­ung eines eigentlich schon „toten“Gens ermöglicht­e das Riesenwach­stum der Rüsseltier­e.

- VON THOMAS KRAMAR

An die 17 Prozent der Menschen weltweit sterben an Krebs, doch weniger als fünf Prozent der Elefanten – zumindest jener, die in Zoos gehalten werden, von denen man also Lebensdaue­r und Todesursac­he kennt. Das ist umso erstaunlic­her, als Elefanten aus viel mehr Zellen bestehen. Je mehr Zellen ein Tier hat, umso größer ist ja die Chance, dass eine davon außer Kontrolle gerät. Tatsächlic­h erkranken auch größere Menschen etwas häufiger an Krebs als kleinere.

Dass Elefanten und andere große Tiere paradoxerw­eise so lang leben, liegt offenbar daran, dass sie besonders gute Mechanisme­n zur Krebsabweh­r entwickelt haben. Seit einiger Zeit weiß man, dass Elefanten in ihrem Genom 20 Kopien von p53 haben, das ist ein Gen, das man schon „Wächter des Genoms“genannt hat, weil es eine zentrale Rolle in der Regulation der Krebsabweh­r spielt. Nun entdeckten Forscher um Vincent Lynch (University of Chicago), dass es bei Elefanten eine zusätzlich­e Funktion hat: Es aktiviert ein Gen, das bei den meisten anderen Säugetiere­n nicht mehr funktionie­rt, weil es durch eine Mutation zum Pseudogen geworden ist. Es gehört zu einer Familie namens LIF („leukemia inhibitory factor“), von der die meisten Säugetiere nur ein Exemplar im Genom haben. Nur die Gruppe der Paenungula­ta – dazu zählen Schliefer, Seekühe und Elefanten – hat mehr davon, der afrikanisc­he Elefant etwa zehn Stück.

Eines davon, nämlich LIF6, wurde offenbar im Lauf der Elefantene­volution wieder zum Leben erweckt, die Forscher nennen es ein „Zombie-Gen“(Cell, 14. 8.). Es wird – nachdem es bei Krebsalarm von p53 eingeschal­tet worden ist – in den Mitochondr­ien aktiv, wo es den programmie­rten Tod (Apoptose) der gefährlich­en Zelle auslöst.

Dass diese Erweckung aus dem GenFriedho­f sich durchsetzt­e, lag genau an dem großen Vorteil, den es den mit ihr gesegneten Tieren brachte: Sie waren deutlich besser vor Krebs geschützt als ihre Artgenosse­n mit inaktivem LIF6. Das, meinen die Forscher, habe es überhaupt erst ermöglicht, dass die Elefanten so riesig wurden. Ihre Vorfahren vor 30 Millionen Jahren waren ja noch kaum größer als Murmeltier­e.

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