Dem wahren Schumann auf der Spur
Matthias Goerne und Markus Hinterhäuser baten zum pausenlosen Liederabend ins „Haus für Mozart“.
Eine Parforce-Tour, als wär’s eine lange Wagner-Partie: Matthias Goerne sang, begleitet von Festspiel-Intendant Markus Hinterhäuser, 80 Minuten lang ohne Pause Schumann. Dergleichen erlebt man kaum, weil solch physische (und psychische) Belastung für einen Sänger eigentlich unzumutbar scheint. Andererseits wäre es dem Künstler-Duo wohl kaum möglich, das Publikum nach einer SektPause noch einmal in jene Hochspannung zu versetzen, die an diesem ungewöhnlichen Abend so rasch erreicht war – und die nie mehr abriss.
Um die Eichendorff-Lieder op. 39 aus dem Jahr 1840 gliederten die Interpreten diesmal Gesänge des späten Schumann, den (um das unpassend „fröhliche“erste Lied reduzierten) Lenau-Zyklus mit dem „Requiem“op. 90, drei Lieder des Harfners nach Goethes „Wilhelm Meister“op. 98a und die Gedichte der Königin Maria Stuart op. 135 – allesamt vergleichsweise versponnene, formal kühn dem Gehalt der Lyrik nachspürende kompositorische Abenteuer, die vom Publikum höchste Aufmerksamkeit verlangen – und erhalten, wenn man Gesang und Klavierspiel so voll und ganz auf Schumanns Verinnerlichung zu fokussieren versteht wie diese beiden.
Jubel, zwangsläufig
Keine Hand regte sich da zum Zwischenapplaus – und die einzig wirklich bekannten Stücke, den Eichendorff-„Liederkreis“, erlebte man in solch sinneschärfendem Umfeld ganz neu, weil Unebenheiten und Doppelbödigkeiten auch im Altvertrauten plötzlich „ohrenfällig“wurden. Dergleichen darf als wirklich festspielreif gelten, nicht nur weil Matthias Goerne gerade auf dem Höhepunkt seiner Kunst angelangt scheint, mit perfekter Mischtechnik im hohen Register, das er bruchlos in die Tiefe hin zu führen versteht. Seiner Phrasierungskunst, der makellosen vokalen Linienführung ordnet er die prägnante Artikulation der Texte unter, verzichtet auf allzu harte Endlaute, charakterisiert Sinn und Hintersinn im Zweifelsfall mit Farbgebung, als dass er die melodische Entfaltung der Konsonantenwahrheit zum Opfer brächte.
Hinterhäuser stützte diese Natürlichkeit des musikalischen Ausdrucks durch ebenso unverkrampftes Spiel: Die nur durch wenige Huster gestörte Konzentration entlud sich zuletzt geradezu zwangsläufig in explosiven Jubel. (sin)