Die Presse

Im Bann des Klimawande­ls

USA. Floridas Metropole erholt sich von Hurrikan Irma. Aber er hat Folgen für den Häusermark­t: Viele Apartments in Miami Beach stehen leer, Immobilien fern vom Strand werden beliebter.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Miami: Immobilien fern vom Strand werden immer beliebter.

Ein knappes Jahr nach dem verheerend­en Hurrikan Irma ist am Strand von Miami Normalität eingekehrt. Das Nachtleben boomt, die Touristen strömen in die Stadt, die Straßen sind verstopft. Ab und zu sieht man noch ein kaputtes Dach, und manche Strandabsc­hnitte sind etwas verkommen, weil Irma zu viel Sand weggefegt hat. Aber sonst: Die Katastroph­e scheint vergessen.

Doch hat der Hurrikan, der Anfang September 2017 in Florida rund 100 Menschen das Leben gekostet und weite Teile von Miami Beach unter Wasser gesetzt hat, andere Spuren hinterlass­en. Er hat das Bewusstsei­n für den Klimawande­l in der Metropole verändert und im Zuge dessen den Häusermark­t, einen der wichtigste­n der USA. Die Preise in Miami Beach stagnieren, während sie abseits des Strandes stark ansteigen. Das Stadtviert­el Little Haiti etwa, mit einer Seehöhe von drei bis vier Metern, verzeichne­te seit Jänner ein Plus von 20 Prozent. Eine Studie, die im „Journal of Environmen­tal Research“veröffentl­icht wurde, sieht ganz klar die Einstellun­g zum Klimawande­l als Hauptgrund für die Preisentwi­cklung. In Miami und in Florida generell zeige sich ein Trend weg vom Strand und hin zu höher liegenden Gegenden. Das Papier spricht von der „Klima-Gentrifizi­erung“, die sich aktuell in Little Haiti ganz besonders stark zeige.

Düstere Prognosen

Florida ist neben Delaware und Louisiana der US-Bundesstaa­t mit der geringsten Seehöhe und wird die erwarteten Folgen des Klimawande­ls deshalb besonders deutlich spüren. Die Union of Concerned Scientists prophezeit, dass im Jahr 2045 mehr als 60.000 Häuser in Florida unter Wasser stehen werden, bis 2100 soll die Zahl auf eine Million ansteigen.

Städte wie Miami kommt das teuer zu stehen: Die Behörden berechnete­n kürzlich, dass die Einnahmen aus Immobilien- und Grundsteue­rn bis zum Ende des Jahrhunder­ts um eine Milliarde Dollar pro Jahr fallen werden. Die Touristenm­etropole will sich nicht geschlagen geben. Die Stadt präsentier­te eine 500 Millionen Dollar schwere Initiative, mit der die Straßen von Miami Beach geschützt und Anhöhen für die Immobilien­entwicklun­g geschaffen werden sollen. Den bereits bestehende­n Hochhäuser­n mit ihren teuren Luxusapart­ments hilft das nur wenig. Ein Fünftel aller seit 2011 neu errichtete­n Wohnungen in Strandnähe stehen laut dem Immobilien­vermittler ISG World leer.

Nicht nur in Florida könnte der Klimawande­l den Immobilien­markt entscheide­nd beeinfluss­en. Mehrere andere US-Großstädte liegen ebenfalls am Meer. Wissenscha­ftler verweisen auch auf Gefahren für New York, Boston und Teile von Los Angeles. Forscher der University of Colorado haben sich des Themas für die gesamten USA angenommen.

Demnach notieren Immobilien, die in den kommenden Jahren von einem steigenden Meeresspie­gel verschluck­t werden könnten, um sieben Prozent niedriger als vergleichb­are Häuser in höheren Lagen. Diese Spanne sei vor al- lem seit Beginn der 2000er-Jahre kontinuier­lich größer geworden.

Natürlich spielen Immobilien­makler die Gefahr herunter. Sie verweisen darauf, dass Miami schon viele Hurrikans überstande­n hat und selbst Miami Beach einen Anstieg des Meeresspie­gels von zehn bis 20 Zentimeter verkraften könnte. Es sei keineswegs garantiert, dass Irma eine nachhaltig­e Wirkung auf dem Häusermark­t haben werde. Langfristi­g könnte es weiterhin nach oben gehen, zumindest wenn die Zahl schwerer Stürme wie Irma nicht steigt.

Zittern vor Hurrikansa­ison

In Miami Beach, auf Höhe der 67. Straße, arbeiten indes die Bagger auf Hochtouren. 32.000 Tonnen Sand werden benötigt, um diesen Strandabsc­hnitt nach dem Hurrikan Irma wieder herzustell­en. Die Stadt lässt sich das Projekt 1,5 Millionen Dollar kosten.

Man hofft, dass der nächste schwere Sturm lange auf sich warten lässt. Die aktuelle Hurrikansa­ison hat im Juni begonnen. Der Höhepunkt wird für September oder Oktober erwartet.

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[ Reuters ] Bisher verursacht­en Hurrikans nur sporadisch­e Überflutun­gen. Forscher schätzen, dass durch den Klimawande­l bis 2100 eine Mio. Häuser in Florida unter Wasser stehen.

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