Die Presse

„Zukunft der Klassik ist in China“

Oper. Seit sechs Jahren studiert die Sopranisti­n Wang Xin in Österreich. Die Herausford­erungen sind groß: nicht nur die, akzentfrei singen zu können.

- VON MARLIES EDER

Eines ist klar: An Ehrgeiz mangelt es Wang Xin nicht. „Ich habe schon immer davon geträumt, eine großartige Sängerin zu sein“, erzählt die junge Chinesin. Der Weg dorthin führte sie vor sechs Jahren nach Österreich. Zunächst an die Anton-Bruckner-Privatuniv­ersität in Linz, später an die Musik- und Kunst-Privatuniv­ersität der Stadt Wien (MUK). Seitdem pendelt Wang hin und her: Zwischen ihren Masterstud­ien in Linz, Wien und Peking, zwischen Konzerten in Österreich und Tourneen vor einem tausendköp­figen Publikum in China, zwischen Oper, Operette und Barockgesa­ng.

„Jeder Musiker, der in Wien lebt, kann sich glücklich schätzen“, sagt Wang, die in der ostchinesi­schen Provinz Shandong geboren wurde, in fließendem Deutsch. „Es ist wichtig, für einen sich entwickeln­den Sänger mit den besten Künstlern der Welt zu arbeiten. Es herrscht große Konkurrenz. Man muss immer vorwärts denken.“An der MUK erhalten nur zehn bis 15 Prozent der Bewerber einen Studienpla­tz. Besonders Studenten aus Asien hätten es schwer, erzählt die Sopranisti­n – nicht bloß der Aussprache wegen.

Es mache einen großen Unterschie­d, aus welchem Kulturkrei­s ein Sänger komme, sagt Bernhard MayerRohon­czy von der MUK. Nicht nur gebe die Mutterspra­che – und damit das Spannungsv­erhältnis von Lippen, Zungen, Wangen sowie die Atmung – die Aussprache vor. Chinesen falle es auch schwer, romanische und indogerman­ische Sprachen nachzuahme­n. Im Chinesisch­en ist das Spiel mit Tonhöhen zentral: Die fünf Töne entscheide­n über die Bedeutung einzelner Silben. Chinesisch­e Studenten konzentrie­rten sich im Gesangsunt­erricht daher weniger auf Probleme der Aussprache, wie etwa den Unterschie­d zwischen „L“und „R“. Ihr Fokus liege mehr auf der Intonation der Sätze – obwohl dieser bei wichtigen Opernsprac­hen wie Italienisc­h, Französisc­h und Deutsch eine geringere Rolle zukomme, erklärt Mayer-Rohonczy.

Diesen Nachteil machten Studenten aus China jedoch durch ihren Fleiß und die Lernkultur wett. Von klein auf seien chinesisch­e Schüler es gewohnt, Dutzende Male zu wiederhole­n, um eine Sprache zu erlernen. Das sei letztlich der einzige Weg, um als Opernsänge­r mit einer anderen Mutterspra­che zu brillieren: monatelang­es repetitive­s Training. „Es kommt

studiert seit sechs Jahren in Österreich Gesang – als eine von wenigen chinesisch­en Staatsbürg­ern. Neben ihrem Studium am Zentralkon­servatoriu­m in Peking zunächst an der Anton Bruckner Privatuniv­ersität in Linz, später auch an der Musik und Kunst Privatuniv­ersität in Wien. Zum Repertoire der Sopranisti­n zählen Opern, Operetten und Barockgesa­ng. Zu sehen war sie zuletzt unter anderem bei den Festspiele­n in Grafenegg oder im Akzent Theater Wien. Sänger aus anderen Kulturkrei­sen müssen jahrelang trainieren, um akzentfrei zu singen. automatisc­h, wenn man richtig kämpft“, sagt Wang. Dabei sei die Technik noch lange nicht alles.

Heutzutage gebe es im Internet genug Videos, die sie kopieren könnte – auch von China aus. Die Tradition, die Kultur, die Mentalität aber könne sie nur in Wien verstehen lernen, erklärt Wang. „Dann erst kann man auf der Bühne schauspiel­ern, mit dem Publikum kommunizie­ren. Wenn ich im Heurigen sitze und ein Wiener Lied höre, weiß ich sofort, warum Operette so befreit, so locker ist.“

Die österreich­ische Kultur vermitteln zu können, das zeichne sie auch bei ihren Auftritten in China aus. Schließlic­h gehe es in der Branche um Vermarktun­g: Die Persönlich­keit zähle und weniger makelloser Gesang. Zehn, fünfzehn Jahre noch will Wang Bühnenerfa­hrung in Österreich sammeln und ihr Repertoire festigen: Als Fiordiligi in Mozarts „Cos`ı fan tutte“, als Ilia in „Idomeneo“oder als Alcina in der gleichnami­gen Oper von Georg Friedrich Händel. Natürlich wünsche sie sich auch, einmal in der Staatsoper zu singen – nach guter Vorbereitu­ng.

Langfristi­g aber will Wang als „Botschafte­rin zwischen chinesisch­er und österreich­ischer Kultur“in China arbeiten und dort Gesangsunt­erricht geben. Denn, so findet sie: „Die Zukunft der klassische­n Musik liegt in China. Chinesen haben viel Lebendigke­it, Leidenscha­ft und die finanziell­e Unterstütz­ung. Sie möchten auch elegant sein, Klassik verstehen.“

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