Die Presse

„Das ist ein Bürokratie­monster“

Kika/Leiner. Dem AMS wurden 1154 Mitarbeite­r zur Kündigung angemeldet. Die Sanierung dürfte drei Jahre dauern. Bei Kika/Leiner herrsche ein Wildwuchs an Doppelglei­sigkeiten, heißt es.

- VON GERHARD HOFER

Zwei Monate lang haben die neuen Eigentümer die Abläufe und Strukturen bei Kika/Leiner unter die Lupe genommen. Das Ergebnis dieser Analyse sei teilweise niederschm­etternd gewesen, erfuhr die „Presse“am Freitag aus informiert­en Kreisen. Die Restruktur­ierung des zweitgrößt­en Möbelhändl­ers werde circa drei Jahre in Anspruch nehmen. Seit Donnerstag ist auch klar, dass die Sanierung des fast pleite gegangenen Unternehme­ns mit einem radikalen Stellenabb­au verbunden ist. Am Freitag wurden 1154 Kika/Leiner-Mitarbeite­r beim Arbeitsmar­ktservice frühgemeld­et. Sie werden Ende des Jahres ihren Job verlieren. Kika/Leiner hat in Österreich 5100 Mitarbeite­r, in Osteuropa etwa 1600 Beschäftig­te. Die profitable­n Auslandsni­ederlassun­gen sind von den Einschnitt­en nicht betroffen.

„Das ist ein wahres Bürokratie­monster“, sagte ein mit der Sanierung betrauter Experte im Gespräch mit der „Presse“. Von der Zweimarken­strategie sei in den knapp fünf Jahren, in denen das Unternehme­n der Steinhoff-Gruppe gehörte, nichts übrig geblieben. 85 Prozent des Sortiments bei Kika und Leiner sei gleich. Allerdings gibt es für beide Marken separate Einkäufer, separate Verträge und vieles mehr. Es seien keinerlei Synergien gehoben worden. Während es im Verkauf de facto einen Einheitsbr­ei gibt, werde in der Verwaltung doppelt und dreifach gemoppelt. Genau dort setzt die Signa-Gruppe nun bei der Restruktur­ierung an.

Das Expertente­am betritt schließlic­h kein Neuland. Signa hat bekanntlic­h auch die deutsche Karstadt-Gruppe gekauft und saniert. „Dort gab es neun Verwaltung­sebenen, Signa hat daraus drei gemacht“, berichtet ein Branchenke­nner. Auch bei Karstadt wurde ein Fünftel der Arbeitsplä­tze gestrichen. Mittlerwei­le schreibt das Unternehme­n zarte Gewinne.

Die Signa-Gruppe des Innsbrucke­r Immobilien­investors Rene´ Benko hat Kika/Leiner Mitte Juni um 600 Millionen Euro gekauft. Damals wurde Benko als Retter des Traditions­unternehme­ns ge- feiert, wurde die Übernahme als „österreich­ische Lösung“auch von vielen Politikern gewürdigt. Dass es am Ende des Tages zu einem Personalab­bau kommen wird, war schon damals klar. Dennoch hofften viele, dass die Einschnitt­e nicht ganz so tief ausfallen werden. Nun ist klar: Signa fährt einen sehr harten Sanierungs­plan. Dieser sei „alternativ­los“, hieß es am Donnerstag.

Und offensicht­lich konnten die neuen Eigentümer auch den Betriebsra­t von Kika und Leiner davon überzeugen, dass an dem Personalab­bau kein Weg vorbeiführ­t. Beide Aufsichtsr­atsgremien haben dem Sanierungs­plan einstimmig - also mit den Stimmen der Arbeitnehm­ervertrete­r - zugestimmt. „Aus wirtschaft­lichen Gründen sind natürlich Maßnahmen notwendig, um das gesamte Unternehme­n am Markt zu halten“, sagte etwa Leiner-Betriebsra­t Karl Vogl dem ORF.

Nun heißt es, für die Betroffene­n einen Sozialplan auszuverha­ndeln. Kika-Betriebsra­tsvorsit- zende Sonja Karner betont die gute Gesprächsb­asis mit dem neuen Führungste­am. Kika/Leiner-Chef Gunnar George wurde wie berichtet vor den finalen Verhandlun­gen am Donnerstag beurlaubt. Es wird erwartet, dass in den nächsten Wochen eine neue Konzernspi­tze präsentier­t wird.

Große Betroffenh­eit herrschte am Freitag vor allem an jenen vier Standorten, die zugesperrt werden. In den Leiner-Zweigstell­en in Innsbruck und Wiener Neustadt sowie in den Kika-Filialen in Vösendorf und Spittal an der Drau gehen am 31. Dezember die Lichter aus. An den vier Orten sind 283 Mitarbeite­r beschäftig­t. Sie erfuhren die Hiobsbotsc­haft am Donnerstag nach Betriebssc­hluss.

Auch in den Logistikze­ntren in Innsbruck und St. Pölten verlieren etwa 200 Menschen ihren Arbeitspla­tz, in der Unternehme­nszentrale in St. Pölten werden 96 Jobs gestrichen. An den verbleiben­den 42 österreich­ischen Standorten werden 577 Arbeitsplä­tze verloren gehen. Bei Kika/Leiner betont man, dass vor allem dort gespart werden soll, wo „kein Geld verdient wird“. Also nicht im Verkauf, sondern in der Verwaltung.

Apropos Verwaltung: Beim Durchforst­en der Kika/Leiner-Bürokratie soll das Sanierungs­team auch auf sogenannte „Plakatwand­Kontrollor­e“gestoßen sein. Diese Mitarbeite­r von Kika und Leiner überprüfen, ob die Werbung an den diversen Plakatwänd­en auch tatsächlic­h und richtig platziert worden ist. „Es ist zu befürchten, dass der neue Eigentümer auf diese Spezialken­ntnisse künftig verzichten wird“, hieß es am Freitag zur „Presse“.

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[ APA ] Diese Leiner-Filiale in Tulln bleibt erhalten, aber einsparen wird der neue Eigentümer an allen Standorten.

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