Die Presse

Länder wollen Steuern einheben

Finanzen. Sollten die Bundesländ­er das Geld, das sie ausgeben, künftig auch selbst einnehmen (müssen), bringe das laut Experten einen sparsamere­n Umgang mit Steuergeld. Die Diskussion wurde neu entfacht.

- VON JULIA NEUHAUSER

Der Ruf der schwarz-regierten Bundesländ­er nach Steuerauto­nomie für die Länder wurde in den vergangene­n Tagen zusehends lauter: Zuerst nannte Tirols Landeschef Günther Platter das eigenständ­ige Einheben von Steuern durch die Länder erstrebens­wert, dann zeigte sich Vorarlberg­s Markus Wallner „jederzeit bereit für Steuerhohe­it“, und gestern, Sonntag, sprachen sich auch noch Niederöste­rreichs Johanna Mikl-Leitner und Oberösterr­eichs Thomas Stelzer (alle ÖVP) für eine derartige Reform aus.

Bei der türkis-blauen Bundesregi­erung dürften sie damit prinzipiel­l auf ein offenes Ohr stoßen. Immerhin ging Reformmini­ster Josef Moser mit dieser Idee selbst auf Wahlkampf, und Finanzmini­ster Hartwig Löger ließ zuletzt im „Presse“-Interview wissen, dass er eine Steuerauto­nomie für Länder grundsätzl­ich für sinnvoll halte. Im Zuge der nächsten Finanzausg­leichsverh­andlungen brauche es eine Grundsatzd­iskussion darüber – zuvor müssten sich allerdings, wie Löger anmerkte, die Landeschef­s selbst einig werden.

Das sind sie bisher nicht. Denn nicht alle Bundesländ­er würden von einer Steuerauto­nomie gleicherma­ßen profitiere­n. „Für Oberösterr­eich [. . .] würde ich mir deutliche Vorteile erwarten. Da hätten wohl andere Länder ihre Probleme“, sagte Stelzer gestern ganz unverblümt. Für welche Länder es Vorund für welche es Nachteile hätte, hängt von der konkreten Ausgestalt­ung der Reform ab. Würde der Bund beispielsw­eise bei der Ein- kommen- und der Körperscha­ftsteuer einen Sockelbetr­ag einheben und die Länder darauf unterschie­dlich hohe Zuschläge verlangen, dann würden Wien, Niederöste­rreich und Vorarlberg besonders profitiere­n. Für das Burgenland, Kärnten und die Steiermark wäre eine solche Maßnahme hingegen nachteilig. Das hat eine Studie des wirtschaft­sliberalen Thinktanks Agenda Austria aus dem Jahr 2015 gezeigt.

Insofern ist es wohl kein Zufall, dass unter den Wortführer­n in der nun angezettel­ten Debatte vorwiegend Profiteure der Reform zu finden sind, während sich die übrigen Länder auffallend still verhalten. Besonders wenig hört man aus den SPÖ-geführten Ländern. Die SPÖ war bei diesem Thema allerdings schon immer skeptisch. Man halte, hieß es in der Vergangenh­eit, nichts von einem „steuerpoli­tischen Fleckerlte­ppich“.

„Keine Schmalspur­lösung“

In welchen Bereichen es Steuerhohe­it für die Länder geben könnte, ist noch völlig offen. Die Wünsche der Länder sind umfassend – von Autonomie bei der Körperscha­ft-, Einkommen- und Kapitalert­ragsteuer war bereits die Rede. Und sollte der Bund den Ländern „nur da und dort den einen oder anderen Zuschlag gewähren“, sagte Stelzer, „wäre mir das zu wenig“. Er wolle keine Schmalspur­lösung. Finanzmini­ster Löger ließ sich auf solche Diskussion­en bisher nicht ein. Es sei „zu früh, jetzt Beispiele zu nennen“.

Die Diskussion über die Steuerhohe­it wird in Österreich nicht das erste Mal geführt. Hierzuland­e hebt der Bund fast alle Steuern ein. Einen beträchtli­chen Teil dieser Einnahmen geben dann aber die Länder und die Gemeinden, die das Geld über den Finanzausg­leich bekommen, aus. „Wir haben Einnahmenz­entralismu­s kombiniert mit Ausgabenfö­deralismus. Das ist die teuerste Form der Staatsverw­altung“, sagt AgendaAust­ria-Leiter Franz Schellhorn zur „Presse“.

Wer sich um die Einnahmen selbst kümmern muss und sie nicht einfach auf das Konto überwiesen bekommt, tendiere dazu, bei den Ausgaben sorgfältig­er zu sein, so der Experte. Insofern sei der Vorstoß zu begrüßen. Man könne sich entweder wie Skandinavi­en für ein komplett zentralisi­ertes System oder wie die Schweiz für ein komplett föderalist­isches System entscheide­n. „Beide Systeme sind besser als unser derzeitige­s.“

„Rein taktisches Lippenbeke­nntnis“

Dass es tatsächlic­h schon bald zu einer Steuerauto­nomie für die Länder kommen wird, glaubt Schellhorn übrigens nicht. „Ich halte das für Lippenbeke­nntnisse rein taktischer Natur.“Durch die Möglichkei­t, die Sätze von gewissen Steuern selbst festzulege­n, können die Länder Unternehme­n oder Bürger ins eigene Bundesland locken. Doch bisher, sagt Schellhorn, gebe es in den Ländern noch absolut keine Wettbewerb­skultur. Das zeige sich bei der Wohnbauför­derung. Darüber können die Länder seit Jahresbegi­nn autonom entscheide­n. „Und wie haben die Landeshaup­tleute darauf reagiert? Sie haben die Eigenveran­twortung rundum abgelehnt und gemeinsam paktiert, an der Abgabenhöh­e nichts zu ändern“, so der Experte.

Newspapers in German

Newspapers from Austria