Statt 20.279 € nur 400 € für Roaming
Mobilfunk. Österreicher, die in die Schweiz reisen, handeln sich mitunter astronomische Gebühren für mobile Daten ein. Sich zu wehren kann helfen, Mobilfunkbetreiber geben auch nach.
Als ein Vorarlberger Unternehmer-Ehepaar diesen Juli mit seiner Tochter einen Tag in der Schweiz verbrachte, steuerte es unbewusst auf eine sehr unangenehme Überraschung zu: Die 16-jährige Tochter wählte sich ohne Wissen und Willen der Eltern in deren „persönlichen Hotspot“ein und surfte im Web dahin. Die Rechnung ließ sich sehen: Für 2,0481 GB Datenvolumen sollte das Unternehmen, für das die Handys im Rahmen eines Poolvertrags angemeldet waren, 20.278,51 Euro zahlen. Doch es stand dafür, diese Forderung in Frage zu stellen.
Während innerhalb von EU und EWR Roaming-Gebühren dank Unionsrecht praktisch vom Tisch sind, spielen sie in Drittländern wie der Schweiz noch immer eine Rolle. Das gilt vor allem für manche Abrechnungen von Mobilfunkanbietern gegenüber ihren Kunden – wie die soeben geschilderte –, weniger jedoch für die Verrechnung im Hintergrund zwischen den Mobilfunkern in den beteiligten Ländern. Nach den ak- tuellsten Berechnungen des Berec (Body of European Regulators for Electronic Communications) haben europäische Netzbetreiber den Partnern in Nicht-EWR-Ländern im 3. Quartal 2017 für Roaming-Leistungen außerhalb des EWR (RoW-traffic, wie Rest of the World) durchschnittlich knapp einen Cent je MB bezahlt.
Im Vergleich dazu waren 9,90 Euro pro MB, die den Kunden verrechnet wurden, für den Bregenzer Rechtsanwalt Helgar Schneider „wucherisch hoch“. Er ortet die „große Roaminglüge“, wenn Mobilfunker die Kunden glauben lassen, dass die Preise der ausländischen Netzbetreiber horrend hoch seien, in Wahrheit aber selbst enorme Margen verrechnen. Schneider schrieb dem betroffenen Mobilfunkanbieter, T-Mobile, einen Brief und schlug darin einen Betrag von 400 Euro, also einem Fünfzigstel der anfänglichen Forderung, vor. Und siehe da: T-Mobile akzeptierte.
Schneider hatte sich bei seiner Kalkulation auf einen ähnlichen Fall mit einer anderen Netzbetreiberin gestützt: Ein 15-jähriger Bub hatte auf einer Fahrt durch die Schweiz ohne Wissen der Eltern mit deren iPad gesurft und mit 600 MB Datenverbrauch Gebühren in Höhe von 9000 Euro ausgelöst. Außergerichtlich hat man sich dann auf 120 Euro geeinigt, berichtet Schneider.
Auch mit T-Mobile hat Schneider schon früher Erfahrungen gesammelt: Das Unternehmen ließ im Frühjahr eine Mahnklage gegen sich unbeeinsprucht, mit der ein Kunde 18.516,49 Euro zurückverlangte, die ihm für 1,442 GB verrechnet worden waren.
„Wir regeln solche Fälle mit allen Kunden immer im Einvernehmen“, sagt dazu T-Mobile-Sprecher Helmut Spudich auf Anfrage der „Presse“. Jedem, der mit so hohen Rechnungen zu T-Mobile komme, würde die Situation erklärt, und der Betrag werde reduziert. Spudich betont allerdings, dass der Verzicht auf wesentlich preiswertere Paketlösungen für das EU-Ausland schon eine bewusste Entscheidung des Kunden voraussetze.
So würde jeder Privatkunde, der in der Schweiz nicht auf kostenloses WLAN ausweiche und Datenroaming aktiviert habe, automatisch drei verschiedene Datenpakete zur Wahl angeboten erhalten. „Nur wenn man keines wählt und statt dessen zahlen will, kommt man auf wesentlich höhere Preise“, so Spudich. Bei Businesskunden sei die Lage etwas schwieriger, weil diese ihre Datenpools vielfach selbst administrieren. Doch auch in diesem Fall gebe es günstige Lösungen.
Wie die erwähnten Beispiele zeigen, sind unangenehme Überraschungen dennoch möglich. Anwalt Schneider kritisiert, dass „Einzelfallgerechtigkeiten“nach anwaltlichem Einschreiten unbefriedigend seien, weil „es wohl hunderte andere Menschen gibt, die abgezockt werden und die sich nicht dagegen wehren“. Spudich räumt ein: „Irgendwann stellt sich die Frage, ob nicht der Detailpreis für Roaming weggehört.“Der stamme noch aus einer Zeit, als kaum Daten auf Handys waren.