Die Presse

Hütter überhörte das Pfeifen der Ulmer Spatzen

Analyse. Frankfurt hat zahlreiche Abgänge nicht adäquat ersetzt und an Qualität eingebüßt. Die Blamage im DFB-Cup gegen Ulm könnte ein Alarmsigna­l gewesen sein. Falls nicht, beginnt mit dem Ligaauftak­t sogleich der Abstiegska­mpf.

- VON HARTMUT SCHERZER

In der Natur ist dieses Ereignis unmöglich: Spatzen holen einen Adler vom Himmel. In der Tiersymbol­ik des Fußballs gelten jedoch andere Gesetze, vor allem beim Pokal. Ulmer Spatzen haben den Frankfurte­r Adler in der ersten Runde zerfledder­t. Das Bild von der Sensation hat der SSV Ulm 1846, Tabellendr­itter der Regionalli­ga Südwest, geliefert: 2:1 gegen Eintracht, den Titelverte­idiger im DFB-Cup.

Als die Blamage mit dem Schlusspfi­ff im Donaustadi­on durch die Tore von Steffen Kienle (48.) und Vitali Lux (75.) – der Gegentreff­er des kurz zuvor eingewechs­elten Goncalo¸ Pacienciaˆ (90.) fiel zu spät – perfekt war, zupfte sich ein deprimiert­er Adi Hütter an der Nase und zog die Augenbraue­n hoch. Die Geste lässt auf die Gedanken des Vorarlberg­ers, 48, in diesem schockiere­nden Moment schließen: Worauf habe ich mich hier nur eingelasse­n? In Worten hörte sich die nächste „große Enttäuschu­ng“des Bundesliga­neulings nach dem 0:5-De- bakel im Supercup gegen den FC Bayern dann so an: Er habe sich seinen Start in Frankfurt „anders vorgestell­t“.

Das ist durchaus nachvollzi­ehbar. Als der Meistertra­iner der YB Bern in Frankfurt als Nachfolger von Niko Kovacˇ einen Vertrag bis 2021 unterschri­eb, mag er es in dem guten Glauben getan haben, eine Mannschaft zu übernehmen, die wenige Tage später im Pokalfinal­e Bayern München sensatione­ll 3:1 besiegen sollte. Von den Berliner Pokalhelde­n fehlten in Ulm jedoch die fünf wichtigste­n: Torwart Hra-´ decky´ (zu Leverkusen), Anführer Boateng (nach Sassuolo), Mascarell (zu Schalke) und Wolf (nach Dortmund). Sie haben den Verein verlassen. Kroatiens WM-Held Rebic´ ist geblieben, aber verletzt.

Die Mannschaft ist eindeutig schwächer als vorige Saison. Denn Sportvorst­and Fredi Bobic, „Mana- ger des Jahres“, und Sportdirek­tor Bruno Hübner haben es nicht geschafft, auch nur annähernd adäquaten Ersatz zu verpflicht­en. Nur Torwart Rönnow, notgedrung­en, und den Spanier Torro, der laut Urteil der „Frankfurte­r Rundschau“aber „eine traurige Figur abgab“, findet Hütter von den Neuen bisher für tauglich. Es ist Masse statt Klasse.

Hütter verfiel der irrwitzige­n Idee, das Problem nach dem verspottet­en und fehlgeschl­agenen Hoffenheim­er Modell von 2013 zu lösen: sieben überflüssi­ge Profis in eine „Trainingsg­ruppe 2“verbannen, vergangene Woche auch den mexikanisc­hen WMSpieler Fabian und den erst vor einem Jahr für drei Millionen Euro verpflicht­eten Verteidige­r Falette (25 Startelf-Einsätze).

Die Aussortier­ten sollen sich für mögliche Käufer fit halten, wie damals unter anderen die deutschen Teamspiele­r Tim Wiese oder Tobias Weis. „Krasser kann ein Klub planerisch­es Missmanage­ment kaum öffentlich zur Schau stellen“, kommentier­te die „FAZ“diesen Aktionismu­s scharf. Die Ausmusteru­ng des Franzosen Falette wurde durch die Knieoperat­ion Chandlers noch brisanter.

Nachdem sich Eintracht innerhalb einer Woche zum zweiten Mal „bis auf die Knochen blamiert“hatte, legte die „Frankfurte­r Rundschau“nach, wirkte Hütter bereits früh angeschlag­en. „Meine Gefühlslag­e ist nicht gut. Das ist eine große, absolute Enttäuschu­ng. Wir müssen so schnell wie möglich in die Spur kommen. Wir waren inkonseque­nt und wenig entschloss­en.“

Hütter wünscht sich Verstärkun­g (Kevin Mbabu, YB Bern) und ist „überzeugt, dass sich noch das eine oder andere tun wird, bis sich das Transferfe­nster am 31. August schließt“. Sonst dürfte es eng werden für die Eintracht – und auch für Hütter. Denn schon am Samstag zum Ligastart beginnt für Frankfurt – das ist nach zwei Niederlage­n zu befürchten – in Freiburg der Abstiegska­mpf.

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