Ein heißer Sommer auch für Wahlärzte: Der Druck steigt
Gastkommentar. Partnerschaftliche Medizin ist am Fließband nur schwer zu verwirklichen.
Warum entscheiden sich immer mehr Ärzte und Patienten für eine Wahlarztordination? Der Druck, immer mehr Patienten in immer kürzerer Zeit durch Spitäler und Ordinationen „durchzuschleusen“, führt bei allen davon Betroffenen zu Frust. Partnerschaftliche Medizin ist am Fließband nur schwer zu verwirklichen. Patienten leiden darunter, wenn ihre Ansprechpartner im Team häufig wechseln.
Vorteile für Ärzte, Patienten
Die Attraktivität der wahlärztlichen Tätigkeit für Ärzte und Patienten sehe ich in folgenden Punkten begründet: 1. Freie Zeiteinteilung: Das ist für alle, die Beruf und Familie vereinbaren müssen, wichtig. Selbstverständlich müssen wir Wahlärzte zu den Zeiten arbeiten, die den Patienten passen. Bei sehr gefragten Wahlärzten kommt es zunehmend vor, dass auf einen Ordinationstermin gewartet werden muss. Dass Patienten zu vereinbarten Terminen nicht erscheinen, wie Kollegen immer öfter klagen, ist zumindest in meiner Praxis eine Rarität. Wie viele andere Spitalsärzte wollte ich zunächst eine Möglichkeit haben, Patienten und ihren Angehörigen in Ruhe zuzuhören und Fragen zu beantworten, die angesichts der gefühlten Hektik im Spital meist gar nicht gestellt werden. Die zunehmende Auslagerung von Patienten aus Spitälern wird eine Herausforderung werden. Gerade Patienten mit komplexen medizinischen Problemen können nicht in den von Ökonomen diktierten Zeitrahmen versorgt werden. 2. Freie Therapiewahl, die sich an den Bedürfnissen der Patienten orientiert: Multimorbide Patienten sind oft therapeutische Herausforderungen – auch für Spezialisten. Die Hoffnung vieler Patienten, dass nicht etablierte Therapien mehr Erfolge bringen als die genormte Richtlinienmedizin nach Protokoll, ist angesichts des Internets ein zeitraubendes Problem geworden. Wenn aber keine Mög- lichkeit besteht, die gegoogelten Ratschläge zu diskutieren, können gefährliche Situationen entstehen. Therapieangebote außerhalb der evidence-basierten Medizin sind durchaus nicht nebenwirkungsfrei. Es ist daher die ärztliche Kontrolle unumgänglich. 3. Freie Honorarvereinbarung: Unsere Leistungen müssen adäquat honoriert werden. Patienten staunen stets, wenn sie über die Einzelpositionen der Leistungskataloge der verschiedenen Krankenkassen informiert werden. Im Kassensystem gibt es verständlicherweise strenge Limitierungen, etwa für das ärztliche Gespräch. Wahlärzte können sich für ihre Patienten mehr Zeit nehmen. Verhandlungen mit den Krankenkassen sind mühsam, deshalb sollten Meldungen über scheinbar attraktive Verträge mit Privatversicherungen zur Vorsicht mahnen. Die Privatisierungstendenzen im Gesundheitssystem müssen von Ärzten und Patienten kritisch beobachtet und können nur gemeinsam bekämpft werden! Gewinnorientierte Konzerne haben im Gegensatz zum solidarischen Gesundheitssystem andere Prioritäten.
Ökonomischer Nutzen
Natürlich klingt es alarmierend, wenn in den Medien über einen Anstieg von 90 Prozent bei der Rückerstattung der Wahlarztleistungen von den Krankenkassen in Wien berichtet wird. Unberücksichtigt bleibt dabei noch, dass nicht alle Patienten ihre Wahlarzthonorarnote bei ihrer Kasse einreichen. Oft ist bei verunsicherten Patienten eine einmalige ausführliche Beratung ausreichend, um das Vertrauen in das System wiederherzustellen. Wir Wahlärzte sind also nicht nur zunehmend systemrelevant in der Versorgung, sondern entsprechen vielfach auch ökonomischen Vorgaben.