Die Presse

Wo sind all die alten schönen Bäume geblieben?

Bäume werden weniger als wertvolle Schattensp­ender, vielmehr als gefährlich­er Risikofakt­or gewertet. Daher schneidet man sie vermehrt um.

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Der Gesetzgebe­r sieht Bäume als potenziell­e Gefahr und deren Besitzer als potenziell­e Täter.

Österreich ist ein Land der Wälder. Und die Wälder dehnen sich sogar immer weiter aus. Dennoch sind unsere Bäume gefährdet, und man hat den Eindruck, dass es immer weniger gibt. Sie werden vor allem dort weniger, wo jeder einzelne dringend benötigt würde: in Gärten, entlang von Landstraße­n, in Städten, an Feldrainen und Flüssen.

Einerseits setzen den Bäumen vor allem in den heißer werdenden Regionen Trockenhei­t und Schädlinge zu. Bäume sind anderersei­ts Opfer von Straßenpro­jekten und Neubauten. Nur wenige Bauträger machen sich die Mühe, ein Projekt an den vorhandene­n Baumbestan­d anzupassen, meist wird einfach die Motorsäge angeworfen. Außerdem sind in den Städten die Preise derart hoch, dass man die Grundstück­e möglichst dicht bebaut und kaum mehr baumbestan­dene, schattige Innenhöfe oder kleine Parks einplant.

Man betrachte etwa die großen Neubauzone­n in Wien, wo sich eine Betonglasw­üste erstreckt. Dies wird auch auf dem flachen Land so praktizier­t. Ein Industrieb­au etwa wurde in einem Auwald errichtet, einem der letzten Reste in der Gegend, obwohl rundum genügend Platz wäre. Immer mehr Supermarkt­parkplätze fressen sich in die Landschaft, selten mit schattensp­endenden Bäumen, denn das kostet und macht Arbeit. Auch bei landwirtsc­haftlichen Flächen gibt es immer weniger Bäume. Streuobstw­iesen sind mittlerwei­le eine Seltenheit, Bäume an Feldränder­n sind verschwund­en, weil sie den großen Maschinen im Weg stehen.

Eine recht neue Gefahr droht den Bäumen, vor allem den älteren Exemplaren, auch vonseiten des Gesetzgebe­rs. Dieser sieht Bäume nämlich als potenziell­e Gefahr und deren Besitzer als potenziell­e Täter. Aufgeschre­ckt hat die Besitzer älterer Bäume, von Parks und die Gemeinden ein Fall im Jahr 2013: Das Sturmtief Paula fegte mit Spitzen von 160 km/h über St. Pölten hinweg. Der Sturm riss unter anderen einen 85 Jahre alten Baum um, dieser fiel auf ein Cabrio, dessen Insasse getötet wurde. Ein tragischer Fall höherer Gewalt – würde man meinen. Es kam zum Prozess, und der OGH entschied, dass die Gemeinde die Schuld an dem Unglück trage. Ein Sachverstä­ndiger hatte nämlich festgestel­lt, dass dieser Baum, eine Pappel, in diesem Alter als nicht mehr standfest gelte.

Dieses Urteil bringt alle Baumbesitz­er in Zugzwang: Sie müssen im Schadensfa­ll beweisen, dass von ihrem Baum keine Gefahr ausgeht, sonst müssen sie für Folgeschäd­en aufkommen. Und das geht nur, wenn man einen Experten engagiert, der den Baum untersucht, oder einen Baumpflege­r beauftragt. Und das kostet. Hausverwal­tungen empfehlen ihren Klienten dringend, regelmäßig eine Baumpflege durchführe­n zu lassen. Viele Baumbesitz­er wollen aber kein Risiko eingehen oder scheuen die laufenden Kosten und lassen ältere Bäume lieber fällen. Das betrifft vor allem die Gemeinden, die entweder Bäume auf öffentlich­em Grund extrem zurück- oder gleich umschneide­n lassen, um kein Haftungsri­siko einzugehen. Das Ortsbild sieht mittlerwei­le dementspre­chend aus. Ein Parkbesitz­er mit schönem alten Baumbestan­d meinte, er lasse seinen Park für die Öffentlich­keit nun sperren, weil die Baumpflege zu teuer und das Risiko zu groß sei.

Es ist schade, dass aufgrund legistisch­er Vorgaben und daraus entstehend­er Kosten die letzten alten schönen Bäume aus unserer Landschaft und aus unseren Orten verschwind­en. Das ist nicht nur ein großer Verlust für die Ästhetik, sondern auch für das Klima. Große Laubbäume spenden wertvollen Schatten, kühlen ein Haus im Sommer und ersparen eine Klimaanlag­e. Sie schützen vor Wind, Sonne und bieten Tieren Lebensraum. Kahl dastehende Einfamilie­nhäuser und Wohnhäuser sind hingegen der Witterung schutzlos ausgesetzt und müssen aufwendig künstlich gekühlt und beschattet werden. Mitten in einer Hitzewelle wäre es an der Zeit, die Prioritäte­n neu zu überdenken.

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VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN

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