Die Presse

Grüner Flügelkamp­f eskaliert

Kulisse. Der Kampf um die Führung der Wiener Grünen nimmt Formen an wie zuvor bei der SPÖ. Es geht um die Frage des Preises einer Regierungs­beteiligun­g, einen angebliche­n Deal und einen Richtungss­treit, den die SPÖ anheizt.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Beim Kampf um die Führung der Wiener Grünen geht es um die Frage des Preises einer Regierungs­beteiligun­g, einen angebliche­n Deal und einen Richtungss­treit.

Was ist da passiert? Diese Frage stellen sich nicht wenige Grüne nach den Ereignisse­n vom Wochenende.

Da prescht der grüne Gemeindera­t Peter Kraus vor und kündigt am Sonntag an, was er eigentlich für Dienstag avisiert hatte: Er werde sich für die grüne Spitzenkan­didatur bei der Wien-Wahl 2020 bewerben. Damit hat der Realo-Flügel seinen Kandidaten ins Rennen um die Nachfolge von Maria Vassilakou geschickt, die voraussich­tlich nicht mehr kandidiere­n wird (sie will ihre Entscheidu­ng im Herbst bekannt geben).

Grün-Klubchef David Ellensohn, der (dem Vernehmen nach) am Montag seine Kandidatur bekannt geben wollte und von Kraus’ vorzeitige­r Ankündigun­g überrascht wurde, meinte verärgert zum „Standard“: „Es ist eine unausgespr­ochene Abmachung, dass eigentlich keiner der Kandidaten vor Beginn der Frist öffentlich Stellung dazu nimmt.“

Der Kritik Ellensohns, der für den linken Flügel ins Rennen gehen wird, folgte empörte Reaktionen aus dem Lager der Kraus-Unterstütz­er: „Ellensohn soll einmal erklären, was eine unausgespr­ochene Abmachung ist.“Es sei keine Abmachung gebrochen worden.

Auf den Spuren der SPÖ

Das zeigt: Beide Lager stehen einander unversöhnl­ich gegenüber, der grüne Flügelkamp­f droht so erbittert geführt zu werden wie der lange Flügelkamp­f des roten Koalitions­partners. Dieser Eindruck wird dadurch bestätigt, dass Landesspre­cher Joachim Kovacs (wie Ellensohn aus dem linken Lager) nur Stunden nach der überrasche­nden Ankündigun­g von Kraus ebenso überrasche­nd seinen Abschied aus der Politik bekannt gab: „Der Glaube an einen ehrlichen Neuanfang ist bei mir nicht angekommen.“

Der Auslöser des Flügelkamp­fes ist ähnlich gelagert wie zuvor bei Wiens SPÖ: Es geht nicht nur um die Nachfolge der Nummer 1, sondern die Frage: Wie pragmatisc­h soll die Partei sein? Und: Ab wann werden Werte verraten, um in einer Koalition zu regieren?

„Als Verschlech­terungen bei der Mindestsic­herung in anderen Bundesländ­ern diskutiert wurden, wollte die SPÖ in Wien auch Verschärfu­ngen“, ist von mehreren grünen Seiten zu hören: „Bei einer Sitzung wurde heftig diskutiert.“Der Realo-Flügel um Vassilakou habe gemeint: Ohne der SPÖ etwas anzubieten werde es nicht gehen. Der linke Flügel um Ellensohn und Kovacs habe jede Änderung abge- lehnt. „Damals ist es endgültig zum Bruch gekommen“, ist zu hören.

In dieser Situation verwundert es nicht, dass derzeit viele Gerüchte kursieren. Beispielsw­eise ist von einem Deal zwischen Maria Vassilakou und ihrem politische­n Ziehsohn Peter Kraus die Rede. Demnach soll Vassilakou auf eine Kandidatur verzichten und Kraus unterstütz­en. Im Gegenzug wird dieser im Falle eines Sieges keinen Stadtratsp­osten beanspruch­en, womit Vassilakou bis vor der Wahl 2020 weiter arbeiten könnte – wird von mehreren Seiten erzählt. Dort ist auch zu hören, dass Kovacs (bis er sein Amt als Landesspre­cher geordnet übergibt) Ellensohn und auch Ewa Dziedzic unterstütz­en wird. Denn in der Partei wird „sehr sicher“mit einem Antreten der Bundesräti­n und Frauenspre­cherin der Wiener Grünen gerechnet.

Wobei zuletzt eine weitere Theorie in der Partei kursierte: Viele Altgedient­e hätten keine Freude mit der Öffnung der Partei (Wahlrecht für Nicht-Parteimitg­lieder). Deshalb könnte es sein, dass Kraus der einzige Kandidat bleibt, die laufende Wahl mangels Kandidaten abgesagt und dann wieder die Landesvers­ammlung entscheide­n würde. „Wo einige bessere Chancen für sich sehen, weil dort nur Mitglieder abstimmen dürfen.“

SPÖ heizt Richtungss­treit an

Unabhängig davon wird der grüne Richtungss­treit durch die SPÖ angeheizt, seitdem Michael Ludwig die Wahl zum Wiener Bürgermeis­ter gewonnen hat und einen deutlich strengeren Kurs fährt: Alkoholver­bot am Praterster­n, künftig Essverbot in den U-Bahnen, dazu soll der Wien-Bonus (Bevorzugun­g von Wienern gegenüber neu Zuziehende­n) auf den Sozialbere­ich ausgeweite­t werden. Spätestens bei Verschärfu­ngen im Sozialbere­ich wird bei den Grünen die Diskussion, die den Flügelkamp­f bestimmt, wieder aufflammen.

 ?? [ Fabry ] ?? Vassilakou wird erst bekannt geben, ob sie kandidiert. Nachfolger sind aber schon startberei­t.
[ Fabry ] Vassilakou wird erst bekannt geben, ob sie kandidiert. Nachfolger sind aber schon startberei­t.

Newspapers in German

Newspapers from Austria