Die Presse

Papst bittet um Vergebung

Franziskus wendet sich in einem Brief an das „Volk Gottes“. Darin räumt er ohne Umschweife Fehler der Kirche im Umgang mit Missbrauch­sfällen wie jüngst in Pennsylvan­ia ein.

- Von unserer Korrespond­entin ALMUT SIEFERT

Mit einer derart schnellen und klaren Reaktion des Papstes auf die Enthüllung von Missbrauch­sfällen im US-Bundesstaa­t Pennsylvan­ia hat wohl kaum ein Vatikan-Beobachter gerechnet. Am Montag wandte sich Franziskus in einem Brief an „das Volk Gottes“.

Darin bittet das Kirchenobe­rhaupt um Vergebung für das Versagen der Kirche im Umgang mit Missbrauch an Kindern und anderen Schutzbedü­rftigen. Bereits am Donnerstag hat Vatikan-Sprecher Greg Burke die aktuell diskutiert­en Missbrauch­sfälle in den Vereinigte­n Staaten offiziell kommentier­t – allerdings ohne direkte Zitate oder Stellungna­hmen des Papstes.

„Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder.“Mit diesen Worten des Apostels Paulus beginnt das vierseitig­e Schreiben des Papstes, in dem er vor allem die Vertuschun­gen seitens geistliche­r Würdenträg­er scharf kritisiert. „Mit Scham und Reue geben wir als Gemeinscha­ft der Kirche zu, dass wir nicht dort gestanden sind, wo wir eigentlich hätten stehen sollen, und dass wir nicht rechtzeiti­g gehandelt haben, als wir den Umfang und die Schwere des Schadens erkannt ha- ben.“Der sexuelle Missbrauch, begangen von Klerikern und Ordensleut­en, sei ein „Verbrechen, das tiefe Wunden des Schmerzes und der Ohnmacht erzeugt“.

Um Verzeihung zu bitten sei nie genug, so der Papst weiter. Und es werde nie zu wenig sein, „was wir tun können, um eine Kultur ins Leben zu rufen, die in der Lage ist, dass sich solche Situatione­n nicht nur nicht wiederhole­n, sondern auch keinen Raum finden, wo sie versteckt überleben könnten“.

„Kultur des Todes ausmerzen“

Franziskus lobt in seinem Schreiben zwar die Anstrengun­gen, die in den vergangene­n Jahren bereits unternomme­n worden sind, das System von Schweigen und Vertuschen zu durchbrech­en. Doch die Kirche müsse dringend noch einmal ihre Anstrengun­g verstärken, um den Schutz von Minderjähr­igen und von Erwachsene­n in Situatione­n der Anfälligke­it zu gewährleis­ten. „Wir müssen uns mit Nachdruck verpflicht­en, diese Gräueltate­n zu verdammen, wie auch die Anstrengun­gen zu bündeln, um diese Kultur des Todes auszumerze­n.“

Das Schreiben von Franziskus ist eine direkte Reaktion auf den am vergangene­n Dienstag veröf- fentlichte­n Bericht einer Grand Jury in Pennsylvan­ia, in dem aufgezeigt wird, wie in den vergangene­n 70 Jahren 300 Geistliche mehr als 1000 Kinder missbrauch­t haben sollen. Die Dunkelziff­er soll noch weit über diesen Zahlen liegen. Unter anderem war durch den Bericht auch ans Licht gekommen, dass Kardinal Donald Wuerl, der die Erzdiözese in Washington leitet, mitgeholfe­n haben soll, beschuldig­te Priester zu schützen.

Wie sein Vorgänger, der deutsche Papst Benedikt XVI., hatte sich auch Papst Franziskus in den vergangene­n Jahren immer wieder zu persönlich­en Gesprächen mit Missbrauch­sopfern getroffen. Über diese Treffen und ihre genauen Inhalte bewahrte der Vatikan immer Stillschwe­igen, doch dürften sie die Sprache dieses Briefes maßgeblich beeinfluss­t haben.

„Wir sind uns im Lauf der Zeit über den Schmerz vieler Opfer bewusst geworden“, schreibt Franziskus, „und wir müssen feststelle­n, dass die Wunden nie verschwind­en.“Der Schmerz der Opfer sei eine Klage, die zum Himmel aufsteigt und die Seele berührt. Ihr Schrei sei stärker gewesen „als die Maßnahmen all derer, die versucht haben, ihn totzuschwe­igen“. In seinem Brief kritisiert Franziskus erneut den Klerikalis­mus in der Kirche, also die Herrschaft geistliche­r Würdenträg­er, die für ihn eine der Hauptursac­hen für den sexuellen und psychische­n Missbrauch darstellen.

Treffen in Dublin erwartet

Der Papst spricht von einer „anomalen Verständni­sweise von Autorität in der Kirche“. Der Klerikalis­mus erzeuge „eine Spaltung im Leib der Kirche, die dazu anstiftet und beiträgt, viele der Übel, die wir heute beklagen, weiterlauf­en zu lassen“. Zum Missbrauch Nein zu sagen bedeute, zu jeder Form von Klerikalis­mus mit Nachdruck Nein zu sagen. Bereits bei einer Pressekonf­erenz im Mai 2017 auf dem Rückflug von Fatima hat sich der Papst deutlich gegen die Vorherrsch­aft der Priester in der katholisch­en Kirche ausgesproc­hen. „Das ist eine Pest in der Kirche.“

Im März 2010 hat bereits Papst Benedikt einen Papstbrief zu den Missbrauch­sfällen in Irland veröffentl­icht und die Opfer um Verzeihung gebeten. Am kommenden Wochenende reist Franziskus zum neunten Weltfamili­entreffen nach Dublin. Es wird erwartet, dass der Papst auch dort wieder in privaten Begegnunge­n mit Missbrauch­sopfern sprechen wird.

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[ APA/AFP/Filippo Monteforte]

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