Neue Notenbank-Spitze steht
Personalpaket. Der FPÖnahe Robert Holzmann soll Chef der Nationalbank werden. Neuer Präsident wird Harald Mahrer. Und als nächster EU-Kommissar ist Othmar Karas im Gespräch.
Wien. Eigentlich ist man davon ausgegangen, dass der türkis-blaue Deal für die Oesterreichische Nationalbank steht: Die ÖVP darf den Nachfolger für den SPÖ-nahen Notenbank-Gouverneur, Ewald Nowotny, nominieren. Dafür geht der nächste Präsident nach dem ÖVP-nahen Claus Raidl an die FPÖ.
Nun scheint es doch umgekehrt zu sein. Der wichtigste Job in der Notenbank, nämlich der des Gouverneurs, soll an die Freiheitlichen gehen: Robert Holzmann, ehemaliger Weltbank-Direktor, guter Bekannter von Jörg Haider und fachlich bestens beleumundet, wird 2019 Notenbank-Chef. Was doch eine Überraschung ist, da Holzmann bislang als künftiger Notenbank-Präsident gehandelt wurde.
Nicht minder überraschend ist der künftige (deutlich weniger mächtige) Notenbank-Präsident. Das soll ein ÖVP-Politiker werden, nämlich Harald Mahrer, seit Kurzem Wirtschaftskammer-Präsident und vormals Wirtschaftsminister. Erfahrung in der Finanzwelt bringt Mahrer keine mit. Allerdings gilt er als Bitcoin-Fan.
Die Personalentscheidungen werden in der Ministerratssitzung am Mittwoch, der ersten nach der Sommerpause, beschlossen. Hintergrund: Die Nationalbank braucht ab 1. September einen neuen Präsidenten und Vizepräsidenten für den Generalrat, weil die Verträge von Claus Raidl und Max Kothbauer (SPÖ) Ende August auslaufen. Im Herbst wird zudem die Neubesetzung des vierköpfigen Direktoriums unter der Leitung von Ewald Nowotny (SPÖ) aktuell. Sein Mandat läuft am 31. August 2019 aus.
In den vergangenen Monaten wurden Posten im Notenbank-Generalrat Zug um Zug neu besetzt: Sämtliche SPÖ-nahen Mitglieder wurden durch Vertraute der ÖVP beziehungsweise der FPÖ ersetzt. Blieb nur mehr die Spitze des Generalrats, das Präsidium. Und das operativ arbeitende, vierköpfige Direktorium mit dem Gouverneur an der Spitze.
Wer ist Robert Holzmann?
Neuer Gouverneur soll nun also Robert Holzmann werden. Der 69-jährige Steirer war von 1997 bis 2011 in verschiedenen Funktionen bei der Weltbank in Washington tätig, zunächst als Sector Director, dann als Research Director und zwischenzeitlich als Senior Vice-President. Die fachliche Befähigung des Wirtschaftswissenschaftlers stehe außer Frage, heißt es aus Regierungskreisen.
Auch beim 45-jährigen Harald Mahrer, der ursprünglich aus der PR-Branche kommt und von Mai bis Dezember 2018 Wirtschaftsminister war, wird die wirt- schaftspolitische Kompetenz ins Treffen geführt. Außerdem stehe er für eine „weitere Verjüngung im System“. Einen Interessenkonflikt, weil Mahrer dann gleichzeitig Wirtschaftskammer- und Nationalbank-Präsident ist, befürchtet man nicht.
Personalpolitischer Abtausch
Doch warum hat die ÖVP von Sebastian Kurz den doch bedeutenden und einflussreichen Job des Nationalbank-Chefs der FPÖ überlassen? Darüber kann vorerst nur spekuliert werden. Teil des türkis-blauen Nationalbank-Deals soll jedenfalls eine weitere Personalentscheidung sein: Demnach darf die ÖVP nach der EU-Wahl 2019 weiterhin den EU-Kommissar stellen. Favorit, wie es in ÖVP-Kreisen heißt, sei aber nicht Amtsinhaber Johannes Hahn, sondern Othmar Karas, derzeit Delegationsleiter der Partei im EUParlament.
Auch das wäre freilich eine große Überraschung. Immerhin war das Verhältnis zwischen Karas und der (Kurz-)ÖVP nicht immer friktionsfrei. Besonders die Flüchtlingspolitik der türkis-blauen Regierung hat den langjährigen EU-Mandatar zuletzt immer wieder zu öffentlicher Kritik veranlasst.
Zuletzt ist sogar spekuliert worden, dass Karas als Spitzenkandidat der Neos in die Europa-Wahl gehen könnte. Diese Frage stelle sich nicht, denn Karas wolle in der ÖVP bleiben, sagte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger dazu im ORF-„Sommergespräch“am Montagabend. Vielleicht wusste sie schon mehr.
Die Presse: US-Präsident Donald Trump wünscht sich niedrige Zinsen von der Notenbank. Wandelt er auf den Spuren von Türkei-Präsident Erdogan?˘ Wolfgang Habermayer: Das kann man so nicht sagen. Aber jeder Politiker will wiedergewählt werden, und die Midterm Elections stehen im November in den USA an. Darauf ist die Politik Trumps ausgerichtet – und da spielt die Währung schon eine Rolle, etwa für die Exportwirtschaft.
Aber muss man sich da nicht erst recht Sorgen machen, dass Trump auf die Notenbank Einfluss nehmen will? Man soll ihn ernst nehmen, aber nicht beim Wort. Darum geht es. Man darf nicht alles auf die Waagschale legen, was er sagt oder was über Twitter kommt. Aber natürlich kann man sagen, dass die abflachende Zinskurve und die geplanten weiteren Zinsschritte der Fed in Richtung einer Rezessionsgefahr gehen. Wenn die Kurve kippt.
Was ist das Problem mit einer flachen oder sogar gekippten Zinskurve? Der Zeitwert des Geldes ist das Problem. Klassischerweise habe ich eine Prämie, einen geldwerten Vorteil, wenn ich langfristig veranlage und jemand dadurch eine Kreditmöglichkeit hat. Wenn das jetzt auf den Kopf gestellt wird und die kurzfristigen Zinsen höher sind als die langfristigen, deutet das darauf hin, dass der Markt in der Zukunft ein langsameres Wachstum oder sogar eine Rezession erwartet. Je stärker die Kurve dreht, desto eher kommt es zu einer Rezession. Aber noch ist die Kurve nicht gekippt.
Also will Trump das Kippen der Kurve und eine Rezession verhindern? Genau. Die Midterm Elections sind im November. Aber eine Rezession kann man, wenn überhaupt, erst Ende 2019, Anfang 2020 erwarten. So wie es jetzt auf den Kapitalmärkten aussieht, kommt vorher kein Abschwung. Das hat auch mit der Fiskalpolitik in den USA zu tun. Die Steuerreform hat schon zusätzliches Wachstum gebracht, und das wird sich auch noch einmal verstärken.
Trump sagt, dass Europa und China ihre Währungen manipulieren. Was meint er? Das ist zuerst einmal ein falsches Vokabel. Die Märkte für Euro und Yuan sind so groß, dass man nicht manipulieren kann. Ich kann natürlich eine Geldpolitik machen, aus der sich dann Erwartungen an Zinsen und Inflation ergeben. Das bewegt die Kurse.
Halten die Chinesen und die Europäer ihre Währung künstlich niedrig? Sicher nicht. Ich erkenne keinen schwachen Euro. Nach der Euroeinführung war der Tiefststand von 0,89 zum Dollar. Der Höchststand war bei 1,60. Das sind normale Währungsschwankungen. Da muss man auch auf die Kaufkraftparität achten, die Volkswirtschaften sind ja unterschiedlich. Aber es stimmt, dass wir in Europa in einer sehr lockeren Geldpolitik verharren, während die Amerikaner die Zinsen langsam heben. Dadurch wird der Dollar stärker.
Wird das so weitergehen? Die EZB will sich ja mit den ersten Zinsschritten noch bis Ende 2019 Zeit lassen. Der Dollar kann durchaus noch stärker werden. Das würde mich nicht wundern. Auch durch die steigende Staatsverschuldung der USA. Das erzeugt auch Nachfrage nach dem Dollar. Ich muss ja Dollar kaufen, wenn ich ein amerikanisches Staatspapier kaufe.
Was bereitet Ihnen am meisten Sorgen? Der Protektionismus und alles, was dem gleichkommt. Hier werden von den Populisten Ängste geschürt und ausgenutzt. Aber alles, was den Welthandel einschränkt, ist schlecht und hat auf Aktien- und Anleihenmärkte starke Auswirkungen. Gibt es da tatsächlich Entwicklungen, oder ist das alles nur Gerede? Das war zumindest im Frühjahr schon sehr ernst zu nehmen und hat dazu geführt, dass wir die Aktienquoten reduziert haben. Weil ein schwächerer Welthandel so offene Volkswirtschaften wie Europa trifft.
Hat sich das ausgezahlt, die Aktienquote zu reduzieren? Nein, in der Phase nicht. In dem Fall sind wir in kurzfristige Staatsanleihen gegangen. Beispielsweise US-Anleihen, weil wir dort Renditen von bis zu drei Prozent gesehen haben. Und weil wir auch einen stärkeren Dollar erwartet haben. Die Protektionismusthematik hat dann ja auch in den Sommer noch hineingespielt.
Was hat sich seither geändert? Es gab den Besuch von Jean-Claude Juncker in Amerika. Da ist etwas wirklich Großartiges gelungen. Nämlich die Bildung der Projektgruppe, um die Zollangelegenheiten zu diskutieren. Damit ist das Handelsthema wieder ein Sachthema.
Es gibt jede Woche neue Baustellen. Gestern die Türkei. Heute Venezuela. Warum haben diese Krisen kaum Auswirkungen? Politische Börsen haben kurze Beine. Die Welt ist größer, als wir glauben, wenn wir alle Informationen in Echtzeit auf dem Schirm haben. Da werden die Dinge oft verkürzt und dramatisch dargestellt. Selbst die Verlautbarungen der Federal Reserve sind mit dem neuen Chef, Jay Powell, viel klarer und kürzer geworden. Bei der Vorgängerin, Janet Yellen, hat man oft nicht verstanden, was sie eigentlich sagen will. Aber natürlich muss man sich sehr genau ansehen, ob von einem Land wie der Türkei Ansteckungsgefahr ausgehen kann. Das Gleiche gilt bei Italien.
Die Finanzkrise ist fast zehn Jahre her. Damals war die Schwachstelle das Bankensystem. Ist das heute genauso? In Europa ja. Amerikanische Banken sind sehr gut saniert worden und gestärkt aus der Krise hervorgegangen.
Dass den Banken nichts passieren kann, war auch vor der Krise 2008 eine weit verbreitete Überzeugung. In Europa haben wir einen Fehler gemacht, weil wir die Bankensanierung nicht so beherzt angegangen sind wie die Amerikaner. Man hat die notleidenden Kredite nicht aus den Büchern entfernt. Da geht es um Volumen von 800 Milliarden in Europa. Wenn man sie abschreibt, hat man Konsequenzen in den Bankbilanzen. Oder man lädt das bei den Gläubigern ab.
In vielen Ländern, auch in Österreich, warnt die Aufsicht schon vor einer Immoblase. Wiederholt sich die Geschichte? Das kann sein, ich glaube es aber nicht. Es muss nicht immer der Immobilienmarkt sein, der eine Krise auslöst. Der amerikanische Immobilienmarkt hat heute hohe Liquidität, aber keine Übertreibungen. Da sehe ich aktuell keine Risken. In Europa hatten wir Immobilienkrisen in Irland und Spanien. In Österreich und Deutschland hatten wir das nicht. Eher im Gegenteil.