Tiroler leben am längsten
Studie. Wien gibt überdurchschnittlich viel Geld für Gesundheit aus und ist Schlusslicht bei Wartezeiten im Spital. Tirol und Burgenland trennen zehn Jahre Lebenserwartung.
Wien ist Schlusslicht bei Wartezeiten im Spital; Tirol und Burgenland trennen zehn Jahre Lebenserwartung.
Ob im Spitals- oder niedergelassenen Bereich – das österreichische Gesundheitssystem ist im Wesentlichen Ländersache. Teilweise enorme Unterschiede bei den Ausgaben, den Leistungsangeboten, aber auch beim Gesundheitszustand der Bevölkerung sind die Folge dieser seit Jahrzehnten etablierten Struktur.
„Wir alle sind Bundesland“, meinte daher auch Ökonomin Maria M. Hofmarcher-Holzhacker vom Institut Health System Intelligence, als sie am Dienstag bei den Gesundheitsgesprächen in Alpbach ihre Studie „Leistungskraft regionaler Gesundheitssysteme“präsentierte. Der auffälligste Unterschied zeigt sich in der „gesunden Lebenserwartung“. Menschen in Tirol und Salzburg können davon ausgehen, dass sie mehr als 70 Jahre in guter Gesundheit leben können, jene in Wien und im Burgen- land nur 65 Jahre. „Konkret kann eine Frau in Tirol erwarten, zehn Jahre länger gesund zu leben als eine im Burgenland“, sagt die Studienleiterin.
„Über die Geschlechter hinweg zeigen sich österreichweit Unterschiede von bis zu sieben Jahren.“Verlässliche Ursachen für diese Unterschiede könne sie aber nicht nennen, diese müssten erst untersucht werden.
Die Differenzen bei den Gesundheitsausgaben würden jedenfalls keine klaren Schlüsse darauf zulassen – auch hier gibt es gravierende Unterschiede. Während Oberösterreich, Tirol, Salzburg und die Steiermark unter dem Schnitt von 4002 Euro pro Kopf liegen, sind Wien, Vorarlberg und Niederösterreich deutlich darüber.
Soziale Faktoren maßgeblich
Dass ein Indiz für die Unterschiede hinsichtlich des Gesundheitszustands soziale Faktoren wie etwa Einkommen sein können – wozu im Übrigen auch Effekte auf das Körpergewicht und den Tabakkonsum gehören –, zeigt sich, wenn die gesunden Lebensjahre beispielsweise den Arbeitslosenraten in den Bundesländern im Jahr 2016 gegenübergestellt werden. Öster- reichweit waren es im Schnitt sechs Prozent. In Wien betrug die Arbeitslosenrate 11,3 Prozent, in Salzburg und Tirol – jenen Ländern mit der längsten Lebenserwartung bei guter Gesundheit – nur 3,4 Prozent bzw. 3,5 Prozent.
Neben der Versorgung wurde bei der von Philips in Auftrag gegebenen Studie auch der Zugang zum Gesundheitssystem ausgewertet. Verbesserungsbedarf gibt es vor allem bei den Wartezeiten in Spitälern: Bei geplanten Eingriffen unterscheiden sie sich zwischen den Bundesländern um neun Tage, bei einem Durchschnitt von 23 Tagen. Am kürzesten wartet man in Kärnten (18) und Salzburg (19), am längsten in Wien (27), was mit „Nachfragedruck“aus anderen Bundesländern zusammenhängen dürfte. „Menschen mit geringerem Einkommen berichten zudem über mehr ungedeckten Bedarf an Versorgung als mit hohem Einkommen“, so Hofmarcher-Holzhacker.
Hohe Kaiserschnittrate
Beachtlich sind die Kaiserschnittraten in Österreich, die im Europavergleich sehr hoch sind und eine deutliche Variation zwischen den Bundesländern zeigen, obwohl das Durchschnittsalter der Gebärenden praktisch identisch ist. Während in Salzburg 23 Prozent (Europa-Schnitt) der Neugeborenen auf diese Art zur Welt kommen, sind es in der Steiermark und im Burgenland 34 Prozent. Der Österreichschnitt liegt bei 29 Prozent.
Hofmarcher-Holzhacker führt dieses Ergebnis darauf zurück, dass vor allem in der wachsenden Privatmedizin Frauen der Wunsch nach Kaiserschnittgeburten trotz fehlender medizinischer Indikation (Stichwort: Wunschtermin) oft leichtfertig erfüllt werde. Um die Unterschiede zwischen den Bundesländern zu erklären, sei wiederum noch mehr „multidisziplinäre Forschung“notwendig.