Die Presse

Die Sehnsucht der Autokraten nach der Kontrolle über das Geld

Mit dem „Wunsch“, die Federal Reserve möge ihm politisch „etwas helfen“, begibt sich der amerikanis­che Präsident auf sehr dünnes ökonomisch­es Eis.

- E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

Wenn Autokraten politisch träumen, dann spielt dabei nicht selten die Kontrolle über die nationale Notenbank eine tragende Rolle. Ist ja praktisch, wenn man seine Pläne mit Geld aus der Notenpress­e umsetzen kann.

Einer der zentralen Punkte der bolivarisc­hen Revolution des Hugo Chavez´ in Venezuela war demnach folgericht­ig die 2007 erfolgte Unterstell­ung der Notenbank (samt der Devisenres­erven des Landes) unter die persönlich­e Kontrolle des Präsidente­n.

Wie so etwas auszugehen pflegt, können wir gerade live mitverfolg­en: Der Internatio­nale Währungsfo­nds erwartet für heuer eine Million Prozent Inflation. Schwer vorstellba­r, nicht wahr? Was das konkret bedeutet, fragt man am besten jene Venezolane­rin, die einem Reporter von „El Mundo“gestern vorgerechn­et hat, dass sie für ihren offizielle­n Monatslohn nach der jüngsten Währungsre­form gerade noch zweieinhal­b Flaschen Orangensaf­t bekäme – falls es die im Geschäft überhaupt gäbe.

Auf flottem Weg in Richtung dieses Horrorszen­arios befindet sich auch der türkische Sultandars­teller Recep Tayyip Erdogan,˘ der es geschafft hat, die Landeswähr­ung mit der mehrmals ausgesproc­henen Drohung, er werde eine (nach Meinung so gut wie aller Ökonomen dringend nötigen) Zinserhöhu­ng durch die Notenbank nicht zulassen, jedesmal ein Stück weiter in den Keller zu drücken und das Land in Richtung Staatsplei­te zu lenken.

Und jetzt Donald Trump: Ihm gefallen die Zinserhöhu­ngen der Fed ganz und gar nicht, und er „wünscht“sich, dass ihm die Notenbank bei seiner America-First-Strategie mit Niedrigzin­sen „etwas helfen“würde, ließ er gestern verlauten.

Da brennt jetzt aber der Hut! Die Inlandskon­junktur mit Steuersenk­ungen anzufeuern, gleichzeit­ig die Inflation durch Importzöll­e auf Trab zu bringen – und dann der Notenbank lenkende Maßnahmen zu untersagen, das klingt nach einem teuflische­n Mix.

Zum Glück sind die USA – trotz der autokratis­chen Züge ihres Präsidente­n – noch lang keine Autokratie, sondern eine immer noch gefestigte Demokratie. Der Präsident wird mit diesen Aussagen also außer einer kurzfristi­gen Manipulati­on des Dollarkurs­es nicht allzu viel erreichen.

Aber gefährlich sind solche Vorstöße allemal. Denn die Notenbanke­n sind formell zwar unabhängig, schweben aber nicht im politische­n Vakuum. Die Bestellung des Chefs der EZB ist de facto Angelegenh­eit der Eurozonen-Regierunge­n, der Gouverneur der Oesterreic­hischen Nationalba­nk wird formell vom Ministerra­t berufen. Selbst der Chef der privaten amerikanis­chen Federal Reserve wird vom US-Präsidente­n nominiert. E ine bestimmte Form der Abhängigke­it ist also immer da. Zumal mit der Auswahl des Kandidaten schon konkrete politische Vorstellun­gen verbunden sind. Trump selbst hat ja durchkling­en lassen, dass er von Fed-Chef Jerome Powell ein wenig enttäuscht ist, weil er sich von ihm anderes erwartet habe, nämlich billiges Geld.

Das ist noch keine große Sache. Selbstvers­tändlich darf die Politik die Notenbank kritisiere­n. Wie etwa Trump das mit der Bemerkung, er sei von Zinserhöhu­ngen „nicht begeistert“, gemacht hat. Haarig wird es, wenn die Politik beginnt, ins Tagesgesch­äft der Notenbank einzugreif­en. Das ist der erste Schritt in Richtung Abgrund. Trumps „Wunsch“, die Fed möge ihm bei seiner Politik „etwas helfen“, ist da schon sehr nahe dran.

Wahrschein­lich wissen das der Präsident und sein Beratersta­b aber ohnehin, und es ist nur darum gegangen, den Kurs der Landeswähr­ung ein bisschen in die gewünschte Richtung zu manipulier­en. (Etwas, was Trump übrigens der EZB und den Chinesen ständig vorwirft.) Und ziemlich sicher ist die Fed stark genug, unsinnigen Präsidente­nwünschen zu widerstehe­n. Sie hat schon anderes ausgehalte­n.

Aber hellhörig sollte man schon werden, wenn der Chef der mächtigste­n Industrien­ation beginnt, in so abenteuerl­iche Gefilde abzudrifte­n. Denn im Gegensatz zum venezolani­schen Bolivar, der uns herzlich egal sein kann, steht hier die Weltleitwä­hrung auf dem Spiel.

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VON JOSEF URSCHITZ

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