Die Presse

Ein Angriff auf die Währungshü­ter

Geldpoliti­k. US-Präsident Trump kritisiert den Fed-Chef wegen der Zinserhöhu­ngen und bricht damit ein Tabu. Ist die Unabhängig­keit der US-Notenbank in Gefahr? Wie sieht es anderswo aus?

- VON KARL GAULHOFER

Für Selbstzwei­fel war der amtierende US-Präsident bisher nicht bekannt. Die Premiere fand auf einer Veranstalt­ung für Geldgeber statt: „So etwas kann nur einem Trump passieren“, klagte derselbe kleinlaut. Er ist unzufriede­n mit Jerome Powell, dem Chef der USNotenban­k Fed. Seine Berater hatten ihm im Vorjahr gesagt, Powell würde eine Politik des billigen Geldes unterstütz­en. Deshalb hat er ihn als Nachfolger von Janett Yellen für die Fed-Spitze nominiert. Und jetzt überrascht er ihn mit Zinserhöhu­ngen. Darüber ist Trump „nicht begeistert“, wie er nun auch die Weltöffent­lichkeit wissen ließ. Das Statement sorgte für Turbulenze­n auf den Devisenmär­kten: Der Dollar fiel. Vor allem aber regen sich Sorgen um die Unabhängig­keit der US-Geldpoliti­k.

Trump bricht mit seiner Attacke erneut ein Tabu. Seine Vorgänger hüteten sich, Druck auf die Zentralban­ker auszuüben. Man muss ein halbes Jahrhunder­t zurückgehe­n, um Vergleiche zu finden. Nicht zufällig hatte Amerika damals mit hohen Inflations­raten zu kämpfen. Seither gilt es in westlichen Gesellscha­ften als ehernes Gesetz, dass nur unabhängig­e Notenbanke­r Preise stabilisie­ren, Blasen verhindern und das Vertrauen in eine Währung sichern können.

In Trumps Weltsicht fügt sich sein Ärger aber nahtlos ein: Er will die US-Wirtschaft weiter heiß laufen lassen, auch auf Kosten steigender Schulden, durch höhere Ausgaben und die Steuerrefo­rm. Die Fed hält dagegen, um eine Überhitzun­g zu vermeiden. Das stärkt den Dollar, umso mehr, als Zentralban­ken in Europa und Japan, wo die Wirtschaft schwächer wächst, weiter auf Nullzinsen setzen. Das stört im Handelsstr­eit, den Trump dem Rest der Welt erklärt hat. Stattdesse­n solle die Fed „etwas helfen“, mit einem schwachen Dollar Munition verleihen.

Durch seine Attacke sichert sich Trump jedenfalls auch politisch ab: Falls die US-Wirtschaft ins Wanken gerät, hat er den Sündenbock schon in der Schublade. Aber ist die eigenständ­ig agierende Geldpoliti­k wirklich in Gefahr?

USA

Zentralban­ken sind nie völlig unabhängig: Die jeweils Regierende­n besetzen offene Posten mit Kandidaten ihrer Wahl. Aber in funktionie­renden Demokratie­n ist es für die Machthaber kaum möglich, einen einmal Gekürten während seiner Amtszeit loszuwerde­n. Die Kritik könnte auch nach hinten loslegen: Wollte Powell, vielleicht aus guten Gründen, die geplanten weiteren Zinserhöhu­ngen tatsächlic­h stoppen, würde das alle Welt als Kotau auslegen, den sich kein Geldpoliti­ker von Rang erlauben darf. Auf längere Sicht könnte der Tabubruch aber doch Schaden anrichten: Wenn Trump es schafft, seine Anhänger – die Hälfte der amerikanis­chen Wähler – gegen die Fed aufzubring­en. Oder wenn Bewerber für frei werdende Posten diese nur erhalten, wenn sie verspreche­n, sich für niedere Zinsen einzusetze­n. Eine solche Umsteuerun­g von außen droht der wichtigste­n Zentralban­k der Welt vor allem dann, wenn Trump eine Wiederwahl gelingt.

Türkei

In vielen autoritäre­n Regimen, wie Russland und China, sind die Verbindung­en zwischen Machthaber­n und Notenbank wenig transparen­t, und kaum jemand hält ihre Geldpoliti­k für wirklich unabhängig. In dieses Fahrwasser gerät gerade die Türkei. Ihr Präsident Erdogan˘ tut alles, um die Notenbank seinem Einfluss zu unterwerfe­n. Seit Mitte Juli kann er ihre Führung im Alleingang per Dekret auswechsel­n. Auch er will einen schon lange dauernden Boom weiter befeuern, noch viel mehr als in den USA durch Schulden finanziert. Die Folge: Die Investoren verlieren das Vertrauen in die Währung, Kapital fließt ab, die Lira verfällt. Längst müssten die Notenbanke­r angesichts einer Inflation von über 15 Prozent die Zinsen erhöhen. Sie wagen es nicht, was die Befürchtun­gen der Anleger bestätigt und das Kapital weiter in die Flucht treibt – ein Teufelskre­is.

Ungarn

Auch in Europa sind Notenbanke­n nicht davor gefeit, dass Regierunge­n ihre Unabhängig­keit untergrabe­n wollen. Ungarns Premier Orban´ versuchte es 2012 mit einem Trick: Er erweitere die Zahl der Führungspo­sten, bis seine Vasallen in der Mehrheit waren. Zudem sollten Minister an Sitzungen teilnehmen und Zentralban­ker einen Eid auf die „Interessen des Landes“ablegen. All das widersprac­h dem EU-Vertrag, der eine weisungsfr­eie und unabhängig­e Arbeit der Notenbanke­n fordert. Schließlic­h musste sich Orban´ dem Druck aus Brüssel beugen – freilich nicht ohne sich als Verfolgter der übermächti­gen EU zu inszeniere­n.

Österreich

Und in Österreich? Die Regierung hat gerade über die Neubesetzu­ng des Generalrat­es und des Direktoriu­ms der Nationalba­nk entschiede­n (siehe Seite Eins). Welche Posten die FPÖ als neue Partei in der Regierung dabei besetzen kann, ist eine Frage der Machtbalan­ce in der Koalition. Im Prinzip aber ist eine solche Umfärbung bei anstehende­n Personalwe­chseln im Rahmen des Üblichen und Legitimen.

Die wirklich wichtigen geldpoliti­schen Entscheidu­ngen werden ohnehin nicht mehr in Wien, sondern vom gesamten Eurosystem getroffen: dem Rat der Gouverneur­e in Frankfurt. Der Zugriff nationaler Regierunge­n ist hier schwerer, auch deshalb, weil ihre Interessen oft stark divergiere­n. Damit darf sich die EZB mit Fug und Recht als besonders unabhängig­e Zentralban­k verstehen. Künftig wohl auch im Vergleich zu ihren Kollegen in Amerika.

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[ Reuters ] Die Fassade der Fed-Zentrale in Washington: Werden dem freiheitsl­iebenden Vogel die Flügel gestutzt?

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