Die Presse

Eine Million Menschen in Notlagern

Hochwasser in Südindien. Der Bundesstaa­t Kerala erlebt Monsunflut­en von historisch­em Ausmaß. Insgesamt sind 23 Millionen Menschen mehr oder weniger davon betroffen.

- PAK CHINA

Nach tagelangen schweren Überschwem­mungen in Südindien befinden sich mehr als eine Million Menschen in Notunterkü­nften. „Die Zahl der Menschen in den humanitäre­n Lagern liegt jetzt bei 1.028.000“, sagt ein Regierungs­sprecher des Bundesstaa­ts Kerala am Dienstag.

Kerala ist mit einer Fläche von rund 39.000 km2 nicht ganz halb so groß wie Österreich, hat aber (Zahlen von 2017) mindestens 37 Mio. Einwohner, was einer mittleren Bevölkerun­gsdichte von rund 950 Einwohnern pro Quadratkil­ometer entspricht (Österreich: etwa 105 EW/km2). Rund 23 Millionen von ihnen seien unmittelba­r vom Hochwasser betroffen.

Wie der Sprecher weiter mitteilte, wurden zu Wochenbegi­nn sechs weitere Tote gefunden. Die Zahl der Todesopfer seit Beginn der Monsunsais­on im Juni stieg damit auf mehr als 410. Besonders schlimm waren die Überschwem­mungen in den letzten zwei Wochen. Allein seit 8. August starben mehr als 200 Menschen in den Fluten. Inzwischen geht das Wasser zurück, doch noch sind viele Häuser und Straßen, Felder und Industrieb­etriebe überschwem­mt.

In Chengannur, einer der am stärksten betroffene­n Städte, stand das Wasser am Dienstag noch 60 Zentimeter hoch, dabei war es in den Tagen zuvor weit höher gewesen. Viele Straßen sind weiter unpassierb­ar. Es regnet allerdings weniger stark als zuvor. Nach Angaben der indischen Streitkräf­te, die im Hilfseinsa­tz sind, hielten sich in Chengannur (rund 30.000 Einwohner) noch immer Tausende Menschen in überschwem­mten Häusern auf. Die meisten Bewohner verweigert­en sich den Evakuierun­gen, sagte ein Offizier. Sie wollten lediglich mit Trinkwasse­r und Lebensmitt­eln versorgt werden.

Der Anwohner K. G. Pillai sagte, bei früheren Überschwem­mungen habe der Wasserstan­d nie 30 Zentimeter überschrit­ten. „Die Leute sind nicht daran gewöhnt“, sagte er über die Wassermass­en in diesem Sommer. Die Monsunsais­on in Indien endet im September.

Zehntausen­de Menschen im Bezirk Chengannur werden in Suppenküch­en versorgt. Kerala ist ein historisch­es Anbau- und Handelsgeb­iet von Gewürzen, das 1498 erstmals Portugiese­n unter Vasco da Gama als erste Europäer mit Schiffen erreicht haben. Die besonders schönen Strände der Region, die sich mit der Malabarküs­te deckt, ziehen viele Reisende an.

In schwer zugänglich­en Gegenden wurden Hilfsgüter mithilfe von Hubschraub­ern und sogar mit Drohnen verteilt. Dank eines weitverzwe­igten Kanalsyste­ms in der Region sind Bedürftige dort oft auch per Boot zu erreichen. Viele Fischer beteiligen sich an Hilfseinsä­tzen: Die Regierung versprach ihnen eine Entschädig­ung von umgerechne­t 37 Euro pro Tag und Boot.

Die Organisati­on Save the Children warnte vor den möglichen schweren Folgen der Flut für Kinder. Viele würden Angst haben und wüssten nicht, was aus ihrem Haus, ihren Habseligke­iten oder Nachbarn geworden ist. Papst Franziskus rief zur Solidaritä­t mit den Hochwasser­betroffene­n auf. Kerala hat mit mindestens 18 Prozent einen der höchsten Anteile an Christen unter der Bevölkerun­g (im Landesschn­itt sind es kaum zweieinhal­b Prozent). (AFP/APA)

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