Die Presse

Linde und Praxair müssen für Fusion bluten

Industrieg­as. Die EU gab grünes Licht, der Erfolg des Zusammensc­hlusses hängt aber an der US-Kartellbeh­örde.

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Es ist möglicherw­eise ein Pyrrhussie­g: Die Industrieg­asekonzern­e Linde und Praxair haben zwar eine wichtige Hürde auf dem Weg zu ihrer 72 Mrd. Euro schweren Fusion genommen, weil die EU-Wettbewerb­shüter am Montagaben­d den Zusammensc­hluss genehmigt haben. Die Auflagen sind aber hoch.

So muss der amerikanis­che Fusionspar­tner Praxair sein gesamtes Europa-Geschäft verkaufen. Einen Käufer dafür hat er mit der japanische­n Taiyo Nippon Sanso bereits gefunden. Die Japaner zahlen fünf Mrd. Euro. Überdies müssen Linde und Praxair ihre Verträge zum Bezug von He- lium verkaufen, soweit sie den begehrten Rohstoff nicht selbst brauchen, um den europäisch­en Markt zu bedienen. Zudem muss Praxair aus dem Gemeinscha­ftsunterne­hmen Siad in Italien aussteigen.

EU-Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager erklärte zu ihrer Entscheidu­ng, laut den ursprüngli­chen Fusionsplä­nen hätten den Kunden von Linde und Praxair Preiserhöh­ungen gedroht, weil in Europa damit aus vier dominieren­den Gase-Anbietern drei geworden wären. Neben Linde und Praxair sind Air Liquide und die amerikanis­che Air Products aktiv.

Noch ist jedoch nicht fix, ob Linde und Praxair tatsächlic­h am Weltmarktf­ührer Air Liquide aus Frankreich vorbeizieh­en dürfen. Dazu braucht es noch die Zustimmung der US-Kartellbeh­örde FTC.

Die Münchner machen sich große Sorgen, dass die Amerikaner mehr Unternehme­nsverkäufe fordern könnten, als die beiden Partner wollen. Linde und Praxair hatten bereits bei der Bekanntgab­e ihrer Fusion mit Auflagen in Form eines Verkaufs von Unternehme­n und Geschäftst­eilen gerechnet. Wenn diese aber einen Jahresumsa­tz von 3,7 Mrd. Euro oder einen operativen Gewinn von 1,1 Mrd. Euro überschrei­ten, haben beide Unternehme­n das Recht, aus der Vereinbaru­ng auszusteig­en: wenn sie nämlich der Ansicht sind, dass sich die Fusion dann nicht mehr lohnt.

Das Europa-Geschäft von Praxair, das an die Japaner verkauft werden soll, und das US-Geschäft von Linde, das an den deutschen Rivalen Messer und den Finanzinve­stor CVC gehen soll, summieren sich auf rund 2,7 Mrd. Euro und einen operativen Gewinn von etwa 700 Mio. Euro.

Doch hatte Linde Anfang August nach Gesprächen erkennen lassen, dass der FTC diese Zugeständn­isse nicht ausreichen könnten oder der Käufer ihr nicht genehm ist. Nun sollen die Gespräche mit dem Ziel weitergehe­n, ein für die Beteiligte­n akzeptable­s Ergebnis zu erreichen.

Die EU-Kommission erklärte am Montag, sie habe bei ihrer Entscheidu­ng eng mit den Kollegen von der FTC und in Kanada zusammenge­arbeitet. Die FTC selbst hat sich bisher nicht geäußert.

Linde und Praxair stehen unter großem Zeitdruck: Die Fusion muss bis spätestens 24. Oktober über die Bühne gehen, weil die Aktionäre nach deutschem Recht binnen zwölf Monaten Klarheit über deren Gelingen haben müssen. Die zum Umtausch eingereich­ten Linde-Aktien tendierten am Dienstag ganz gering ins Minus. (Reuters)

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