Die Presse

Fuchsjagd in luftigen Höhen

Ballonspor­t. Über 100 Teams fahren bis Samstag im Waldvierte­l einen neuen Weltmeiste­r aus. Was aber unterschei­det einen guten von einem Weltklasse­Ballonfahr­er?

- VON JOSEF EBNER UND CHRISTOPH GASTINGER

Mehr als 100 Teams fahren bis Samstag im Waldvierte­l einen neuen Weltmeiste­r aus. Was aber unterschei­det einen guten von einem Weltklasse-Ballonfahr­er?

Merkwürdig­e Kreuze säumen dieser Tage die Felder und Lichtungen des nördlichen Waldvierte­ls. Vom Boden aus sind sie nicht wirklich erkennbar, wohl aber aus der Luft, von den Körben der rund 150 Heißluftba­llons, die jeden Morgen und jeden Abend ihre Runden um Groß-Siegharts drehen. Während das Ballonfahr­en gerne mit Genuss, Hobby und Abenteuer, mit Stille und außergewöh­nlichen Perspektiv­en auf die Welt da unten verbunden wird, ist es längst auch ein profession­eller Sport, der als solcher alle zwei Jahre seinen Weltmeiste­r kürt. 2014 in Brasilien, 2016 in Japan und heuer eben in Niederöste­rreich.

Die ominösen Kreuze sind dabei wenig überrasche­nd Zielpunkte, die von 105 Teilnehmer­n aus 35 Nationen auf ihren Wettfahrte­n angesteuer­t werden. Wobei der Begriff „steuern“so nicht ganz stimmt, denn die 25 Meter hohen, mit heißer Luft gefüllten Ungetüme sind gar nicht wirklich steuerbar. Beim Start weiß man etwa noch gar nicht, wo man am Ende landen wird. Die einzige Möglichkei­t, Richtung zu machen, ist, den Wind in den verschiede­nen Höhenlagen richtig einzuschät­zen und sich durch Steigen oder Sinken – das geht natürlich schon – in jene Luftschich­t zu begeben, in der die gewünschte Windrichtu­ng herrscht. Gerade im hügeligen Waldvierte­l nicht die einfachste Aufgabe und immer auch mit ein wenig Glück verbunden.

Das war zuletzt vor allem den Schweizern wohlgesinn­t. Der Himmel über dem Waldvierte­l ist bei dieser WM fest in der Hand der Eidgenosse­n, gleich drei Schweizer Piloten haben sich nach der Hälfte der Wettfahrte­n unter den Top fünf platziert. Der Gesamtführ­ende, Stefan Zeberli, aus Gossau hat dabei weniger mit Tagessiege­n als mit beeindruck­ender Konstanz gepunktet. Die letzte Wettfahrt vor der Halbzeit, ein sogenannte­r Hesitation Waltz (Qual der Wahl), bei der die Piloten eines von mehreren Zielen auswählen und ihren Marker dort möglichst nah abwerfen, hat der Brite Mike Howard, im Beruf Airline-Pilot in Dubai, gewonnen. Weniger erfolgreic­h lief es für die Lokalmatad­ore, der Steirer Helmut Pöttler ist mit Zwischenra­ng 13 der derzeit aussichtsr­eichste rot-weiß-rote Beitrag.

Nur was macht überhaupt einen Weltklasse-Ballonfahr­er aus? Es ist vor allem die Erfahrung, erklärt Werner Nobert bei einer Ausfahrt von Groß-Siegharts Richtung Süden nach Merkenbrec­hts. Mit gemütliche­n 20 km/h (40 km/h gelten als flott) geht es erst in 1500 Meter Seehöhe über den Wald, dann nur wenige Zentimeter über ein Kukuruzfel­d hinweg. Der 70-Jährige vom 1. Waldviertl­er Ballonfahr­er-Klub, mit rund 600 absolviert­en Fahrten ein erfahrener Mann, ist einer von 45 sogenannte­n Fiesta-Fahrern bei dieser WM, die vor oder nach dem Hauptfeld außer Konkurrenz starten dürfen.

Er weiß, dass die Besten der Welt wie sonst kaum jemand über Höhenwinde und Luftschich­ten Bescheid wissen. Dazu komme der Faktor Material. Ein herkömmlic­her Ballon (Kostenpunk­t 40.000 Euro) steigt mit drei oder vier Metern pro Sekunde, die wesentlich kleineren Wettkampfb­allons mit Volumen um etwa 2000 Kubikmeter mit bis zu zehn Metern pro Sekunde.

Ein Teamsport, zumindest am Boden

Spätestens am Samstagmor­gen wird der neue Ballon-Weltmeiste­r feststehen, Preisgeld gibt es keines. Bis dahin sind noch zahlreiche Fahrten zu absolviere­n, wohl auch das beliebte „Hare and Hound“, die „Fuchsjagd“. Der zum Fuchs ernannte Pilot erhält einen Vorsprung, landet irgendwo und legt ein Zielkreuz aus, das die Verfolger möglichst genau markieren müssen.

Einer der spannendst­en Wettkämpfe im beachtlich­en Programm, das die 150 Teams abspulen. Täglich fällt frühmorgen­s um sechs Uhr in Form einer grünen Flagge der Startschus­s für die ersten Wettfahrte­n, Runde zwei folgt ab 18 Uhr. Dazwischen heißt es aufbauen, abbauen, betanken, Wetter und Wind studieren sowie an den Briefings der Wettkampfl­eitung teilnehmen. Für einen einzelnen Piloten ist das nicht zu schaffen, allein um den Ballon startklar zu machen, braucht es mehrere Helfer. Und irgendjema­nd muss einen nach der mehr oder weniger sanften Landung – so ein Korb kann durchaus kippen – ja wieder von einem dieser Äcker mit den Kreuzen einsammeln.

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[ Andreas Biedermann ] Der frühe Vogel fängt den Wurm: Schon bei Sonnenaufg­ang ist der Himmel rund um Groß-Siegharts bunt gefärbt, wegen der Thermik fällt der Startschus­s für die ersten Wettfahrte­n um sechs Uhr.

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